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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter
Autoren: Alexander Kent
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heraus. »Hier, Kamerad, die hast du sauer verdient!«
    Stockdale hörte kaum hin. Als er sich über den Sack beugte, krächzte er: »Es war sein Geld. Behalten Sie’s.« Zu Bolitho sagte er: »Dies ist für Sie, Sir.« Er hielt ihm eine Flasche hin, die aussah, als enthielte sie echten Kognak. Das rundete das Bild ab: Der Gutsbesitzer hatte sicher die Finger im örtlichen Schmuggel an der Küste.
    Stockdale sah Bolitho an. »Ich sorge schon für Sie, Sir.« Bolitho fiel auf, daß er sich unter den geschäftigen Seeleuten bewegte, als hätte er sein ganzes Leben dazugehört.
    Little bemerkte ruhig: »Schätze, Sie können aufhören, sich Sorgen zu machen, Sir. Der gute Stockdale ist allein so viel wert wie fünfzehn Mann, jedenfalls nach meiner Schätzung.« Bolitho trank einen Schluck Kognak, während Fett aus einem Hühnerschenkel auf die Manschette seines neuen Hemdes tropfte.
    Er hatte eine Menge dazugelernt, nicht zuletzt über sich selber. Sein Kopf sank nach hinten, und er fühlte nicht mehr, wie Stockdale ihm den Becher vorsichtig aus der Hand nahm.

Bruch mit der Vergangenheit
    Bolitho kletterte das Fallreep an der Bordwand der Destin y hoch und lüpfte seinen Hut kurz zum Achterdeck 4 hin. Die dicken Wolken und der Nebel waren verschwunden, und die Häuser von Plymouth jenseits des Homoaze schienen sich im warmen Mittagslicht zu sonnen.
    Er war müde und steif von dem langen Marsch, außerdem ve rschmutzt vom Nachtquartier in Scheunen oder bescheidenen Gasthöfen. Der Anblick seiner sechs Rekruten, die vom Wachtmeister gemustert und dann nach vorn gebracht wurden, trug wenig dazu bei, seine Stimmung zu heben. Der sechste Freiwillige war erst vor knapp einer Stunde zu ihnen gestoßen, kurz ehe sie ihr Boot erreichten: ein sauber gekleideter, keineswegs wie ein Matrose aussehender Mann von etwa dreißig, der angab, Apothekergehilfe zu sein. Er wolle eine lange Seereise machen, um Lebenserfahrung zu sammeln und zu sich selber zu kommen, behauptete er. Seine Geschichte klang ebenso unwahrscheinlich wie die der beiden Knechte, aber Bolitho war zu müde, um sich lange Gedanken darüber zu machen.
    »Ah, Sie sind also zurück, Mr. Bolitho!«
    Der Erste Offizier stand an der Querreling des Achterdecks, seine schlanke Gestalt hob sich nur als Silhouette vom blassen Winterhimmel ab. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und hatte die Neuankömmlinge offenbar schon die ganze Zeit, seit die Barkasse längsseit gekommen war, beobachtet. Knapp fügte er hinzu: »Kommen Sie bitte gleich nach achtern.«
    Bolitho stieg zur Backbord-Laufbrücke hinauf und begab sich zum Achterdeck. Sein Gefährte der letzten Tage, Stückmeistersmaat Little, strebte einem Niedergang zu, wahrscheinlich, um sich mit seinen Freunden einen »kräftigen Schluck« zu genehmigen. Im Nu war er unter Deck verschwunden und damit in seiner eigenen Welt. Bolitho fühlte sich plötzlich fast so fremd wie vor drei Tagen, als er das Deck zum erstenmal betreten hatte.
    Er stand vor dem Ersten Offizier und legte grüßend die Hand an den Hut. Palliser sah ausgeruht und gepflegt aus, wogegen sich Bolitho noch mehr wie ein Landstreicher vorkam.
    Bolitho meldete: »Sechs Rekruten, Sir. Der große Bursche war Boxer und könnte ein wertvoller Zuwachs werden. Der als letzter an Bord kam, hat für einen Apotheker in Plymouth gearbeitet.« Sein Bericht klang ihm selbst schwerfällig. Palliser hatte sich nicht gerührt, und auf dem Achterdeck war es ungewöhnlich still. Bolitho schloß: »Ich habe mein Bestes getan, Sir.«
    Palliser zog seine Uhr heraus. »Gut. Während Sie weg waren, ist der Kommandant an Bord gekommen. Er wollte Sie sehen, sobald Sie zurück sind.«
    Bolitho starrte ihn an. Er hatte ein Donnerwetter erwartet. Sechs statt zwanzig, und darunter einer, der nie ein Seemann werden würde! Palliser ließ seinen Uhrdeckel zuschnappen und sah Bolitho kühl an.
    »Hat der lange Landaufenthalt Ihr Gehör beeinträchtigt? Der Kommandant will Sie sehen. Das heißt an Bord dieses Schiffes nicht ›nachher‹ oder ›gleich‹, sondern in dem Augenblick, in dem der Kommandant diesen Gedanken ausgesprochen hat.«
    Bolitho blickte entschuldigend auf seine schmutzigen Strümpfe und Schuhe. »Tut mir leid, Sir, aber ich dachte, Sie hätten befohlen…« Palliser schaute schon woanders hin; er beobachtete einige Leute, die auf dem Vorschiff arbeiteten. »Ich hatte Ihnen befohlen, zwanzig Mann zu bringen. Hätte ich sechs Mann verlangt, wie viele hätten Sie
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