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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter
Autoren: Alexander Kent
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Kieselsteine an Deck, und hier und da fiel ein Mann um. Aber die übrigen, die sich aus den Trümmern befreit hatten, überließen die Kanonen an der Backbordseite sich selber und gehorchten taumelnd Bolithos Ruf. Sie luden die ve rbliebenen Zwölfpfünder, kauerten dahinter wie verschreckte Raubtiere und warteten, bis das hohe Achterschiff der S a n Augusti n sich Meter für Meter wie ein vergoldeter Fels vor ihnen auftürmte.
    »Ziel auffassen!«
    Wer gab die Befehle? Dumaresq, Palliser, oder war er so mitgerissen von der Wildheit der Schlacht, daß er sie selber ausgestoßen hatte?
    »Feuer!«
    Er sah die Kanonen im Rückstoß binnenbords rollen und ihre Bedienungen durch die Stückpforten schauen, um den Erfolg ihrer Schüsse zu überprüfen. Denn jede der mörderischen Kugeln pflügte jetzt vom Heck bis zum Bug durch das spanische Schiff und verbreitete überall Tod und Verderben.
    Kein Geschützführer, auch Stockdale nicht, machte Anstalten, neu zu laden. Es war, als wisse jeder Bescheid.
    Die Sa n Augusti n trieb nach Lee ab. Vielleicht war ihr Ruder zerschossen oder sämtliche Offiziere waren in der letzten feurigen Umarmung getötet worden.
    Bolitho ging langsam nach achtern und stieg den Niedergang hoch aufs Achterdeck. Holzsplitter lagen überall herum, und an den Sechspfündern waren nur noch wenige Männer übrig, die Hurra rufen konnten, als ein Teil der Takelage des Feindes in die Qualmwolken stürzte.
    Dumaresq wandte sich mühsam um: »Ich glaube, sie brennt.«
    Bolitho sah Gulliver tot neben seinen Rudergängern liegen; Slade stand an seinem Platz, als ob er von Anfang an zum Master bestimmt gewesen sei. Colpoys, der seinen roten Rock wie ein Cape um die bandagierte Brust gehängt hatte, musterte seine Männer, die von ihren Waffen zurückgetreten waren. Palliser saß auf einem Faß, während einer von Bulkleys Leuten seinen Arm untersuchte.
    Bolitho hörte sich sagen: »Wir werden den Schatz verlieren, Sir.« Eine Explosion schüttelte die schwer mitgenommene San Augustin.
    Man sah Gestalten über Bord springen und jeden niedertrampeln, der sie aufzuhalten versuchte.
    Dumaresq blickte auf seine rote Weste herunter. »Sie verlieren ihn aber auch.«
    Bolitho beobachtete das andere Schiff und sah, wie der Qualm dikker wurde und erste Flammen unterhalb des Großmasts hervorbrachen. Wenn Garrick noch lebte, würde er nicht mehr weit kommen. Bulkley lief übers Achterdeck. »Sie müssen nach unten gehen, Sir, ich muß Sie untersuchen.«
    »Müssen?« Dumaresq lächelte grimmig. »Das ist kein Wort, das ich…« Dann fiel er ohnmächtig in die Arme seines Bootssteurers.
    Trotz allem, was schon geschehen war, schien Bolitho dieser Anblick unerträglich. Er sah zu, wie Dumaresq aufgehoben und vorsichtig zum Niedergang getragen wurde.
    Palliser trat an die Querreling, aschfahl im Gesicht, aber er sagte: »Wir werden uns in sicherer Entfernung halten, bis das verdammte Schiff entweder gesunken oder in die Luft geflogen ist.«
    »Was soll ich jetzt tun, Sir?« Das war Midshipman Henderson, der wunderbarerweise oben im Großmast überlebt hatte.
    Palliser sah ihn an. »Sie übernehmen Mr. Bolithos Aufgaben.« Er stockte, den Blick auf Rhodes’ Leiche am Fockmast gerichtet. »Mr. Bolitho ist jetzt Zweiter Offizier.«
    Eine heftigere Explosion als alle bisherigen erschütterte die San A u gusti n so stark, daß ihre Fockund Großmarsstengen in den Qualm hinabstürzten, das ganze Schiff sich schwer auf die Seite legte und schließlich kenterte.
    Jury kam den Niedergang hoch und stellte sich an Bolithos Seite, um die letzten Augenblicke des einst so schönen Schiffes mit anzusehen. »War es das alles wert, Sir?«
    Bolitho sah ihn an und schaute sich an Deck um. Schon waren Leute dabei, die Schäden auszubessern und das Schiff wieder flott zu machen. Tausenderlei Dinge gab es zu tun: die Verwundeten mußten betreut werden. Der übriggebliebene Schoner war zu jagen und zu erobern. Überlebende mußten aus dem Wasser gefischt und als Gefangene von den spanischen Seeleuten getrennt werden. Eine Menge Arbeit für eine kleine Fregatte mit reduzierter Besatzung.
    Er erwog Jurys Frage und überlegte auch, was Dumaresq sagen würde, wenn er zurückkam. Eigenartig, dieser Dumaresq: Tod war für ihn gleich Niederlage, und beides gab es für ihn nicht.
    Bolitho sagte leise: »So dürfen Sie nicht fragen. Ich habe einiges gelernt und lerne immer noch dazu. Das Schiff kommt zuerst. Aber lassen Sie uns an die Arbeit gehen,
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