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Kanadische Traeume

Kanadische Traeume

Titel: Kanadische Traeume
Autoren: Quinn Wilder
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ignorierte, wenn er ihr überhaupt keine Beachtung schenkte, würde sie sehr bald von allein wieder gehen und könnte auf diese Art ihr Selbstbewußtsein retten. Außerdem wußte er, daß Sandra sich sehr schnell langweilte, und glaubte, sie würde es höchstens eine Woche in Anpetuwi aushalten.
    Da saß er also in einer Falle, die er sich selbst gestellt hatte: Er war nett zu einer Frau, die er nicht mochte, nicht nett zu einer, die er sehr mochte, und verwirrt wie ein Schuljunge, der noch in kurzer Hose steckte.
    Sandras Anwesenheit erinnerte ihn ständig daran, daß eine Frau phantastisch aussehen und dennoch ihre dunkle Seite sehr gut verbergen konnte. Das ließ ihm Charity nur noch verdächtiger erscheinen.
    Wie konnte jemand so wundervoll sein: intelligent, warmherzig, voller Mitgefühl, sexy. Wer war sie wirklich? Und was wollte sie von ihm und Anpetuwi?
    Dann, als der Schmuck verschwand, wollte er glauben, daß Charity ihn genommen hatte. Denn wenn sie unschuldig war, wenn sie genau das war, was sie zu sein schien: warmherzig, lebenssprühend, geistreich, sinnlich - dann würde er sie heiraten müssen. Das wußte er. Er würde zugeben müssen, daß er sie liebte, daß er ohne sie nicht leben konnte. Das war nicht leicht für einen Mann, der hundertprozentige Kontrolle über sein Leben hatte, hundertprozentig ungebunden war und sonst immer hundertprozentig rational handelte.
    Als er in ihrem Badezimmer stand und sie ihn mit ihren blauen Augen anschaute, erkannte er die Wahrheit. Er liebte sie.
    Er vertraute ihr.
    Er hatte so schnell wie möglich das Weite gesucht, ehe sie es merkte. Es war wohl die Furcht davor, man könnte seine Gefühle gegen ihn benutzen.
    Als er sich mit dem Schmuckkasten in der Hand von Charity abdrehte, wußte er plötzlich mit Sicherheit, wer die Juwelen gestohlen hatte. Wütend war er losgerannt, ohne sich um Charitys Schmerz und Bedürfnisse zu kümmern.
    Er wußte, er konnte Sandra in seinem erregten Zustand nicht konfrontieren. Sie würde mit seinem Zorn nicht fertig werden.
    Er wußte aber auch, daß er Sandra loswerden mußte. Als er dann deprimiert und angespannt mit ihr beim Abendessen saß, hatte er nicht aufgepaßt und von dem Mandelkuchen gegessen.
    Matthew erinnerte sich, daß Charity von dem Zauber von Anpetuwi gesprochen hatte und daß sich hier auch etwas Schlechtes zum Guten kehrte. Gestern abend hätte er Mandeln gegessen, das Schlimmste, was ihm passieren konnte - etwas Gutes war daraus geworden.
    Gut? Traumhaft! Gewaltig! Er hatte gesehen, daß Charity ihn liebte, erkannt, wer sie wirklich war. Sie war genau das, was sie schien. Genau! Eine äußerst intelligente junge Frau, die ihre Mitmenschen aus tiefster Seele liebte. Die ihn aus tiefster Seele liebte, obwohl er es überhaupt nicht verdiente.
    Er wußte, er konnte ihr vertrauen. Sie würde seine Liebe nicht enttäuschen und ihm damit weh tun. Gleichzeitig hatte er erkannt, daß er Sandra nichts Schlimmeres antun konnte, als
    “nett” zu ihr zu sein. Es machte dem armen Mädchen falsche Hoffnungen und ließ es glauben, sein unmögliches Benehmen wäre im Bereich des Annehmbaren.
    Gestern abend hatte er alle Kraft zusammengenommen und mit Sandra gesprochen, damit er heute frei und ungebunden zu Charity gehen konnte. Er hatte Sandra befohlen, ihre Koffer zu packen und Anpetuwi zu verlassen. Er hatte sein Bestes getan, sie zu überzeugen, daß sie professionelle Hilfe brauchte. Und er hatte gedroht, die Polizei zu rufen, falls sie ihn weiter belästigen sollte.
    Es waren harte Worte gewesen, und sie waren ihm sehr schwergefallen. Als Sandra zu weinen anfing und ihn wie ein unglückliches Kind flehentlich ansah, wollte er sie ein letztes Mal an seine Brust drücken, tat es aber nicht. Er haßte sie keineswegs und wollte ihr nicht weh tun, aber er wußte, daß er hart bleiben mußte.
    Matthew fuhr auf den Parkplatz und stieg aus. Er schaute sich um. Anpetuwi, umsäumt vom Grün der Wälder, lag unter ihm.
    Dahinter erstreckte sich das melancholisch wirkende dunkle Blau des Sees und über allem der Azur des Himmels.
    Anpetuwi hatte seiner Familie, einer Generation nach der anderen, das Geschenk der Liebe gemacht. Er war hierhergekommen in seinem Schmerz und seiner Verwirrung, und Anpetuwi hatte ihn nicht enttäuscht.
    Charity hatte den Zauber dieses Orts auch gefühlt, genau wie seine Mutter vor ihr. Es war, als hätte sich alles in der Natur hier verschworen, um das Geheimnis und Wunder der Liebe zu
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