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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
Autoren: Grafit
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interessanteren Seiten des Lebens. Und zwar Fußball. Bayern und Schalke natürlich und irgendwann kommen wir auf den Assauer. Auf den Assauer und seine Demenz. Tragische Sache, wirklich. Den hab ich immer echt gut gefunden. Obwohl er beim falschen Verein war.
    »Willst du noch ewig hier rumhängen?«, fragt der Rudi plötzlich in einer leicht beleidigten Tonart. »Mir ist schon richtig schlecht von diesem ganzen Fettgestank hier«, sagt er weiter und riecht am Ärmel seines blauen Anoraks, der perfekt zum Blau seines Anzugs passt. Ja, ein Jammer, wenn diese edle Blaukombination jetzt so tierisch nach Pommes stinkt. Der Jürgen sagt, mit sonnem noblen Fetzen sollte man auch nicht zum Pommes-Dieter gehen, sondern auf ’nem Samtsofa sitzen und Austern schlürfen. Jetzt ist er aber echt beleidigt, der Rudi. Um des lieben Friedens willen und weil er wahrscheinlich irgendwie nicht recht von uns lassen kann, schlägt der Jürgen schließlich vor, die Lokalität zu verlassen und auf ’nen Sprung bei der Silvesterfete im alten Vereinsheim von Schalke vorbeizuschauen. Schließlich ist das die Kultstätte von Blau-Weiß und als echter Fußballfan muss man die gesehen haben.
    Also nix wie hin. Mit dem Jürgen und seiner Gabi sind wir zu viert und wir kriegen mit Ach und Krach noch ’nen Stehplatz am Tresen. Der Jürgen ist hier bekannt und stellt uns erst mal Lydia und Ronny, das Wirtspaar, vor. Ein Hund namens Ratte jagt mit einem Ball zwischen unseren Beinen rum. Unglaublich, hier spielen sogar die Hunde Fußball. Wir trinken ein Bier und eigentlich sind alle ganz nett, wenn man mal davon absieht, dass sie Schalke-Fans sind. Da der Rudi und ich aber schwer in der Unterzahl sind, halten wir uns lieber etwas zurück. Und als der Rudi hinterher einmal aufs Klo geht, sag ich lieber überhaupt nichts mehr. Ein paar Bierchen später aber bricht es plötzlich und unerwartet aus dem Rudi heraus.
    »Das Beste an eurer blöden Veltins-Arena ist sowieso, dass der Oliver Kahn einmal mit dem Ball an den Videowürfel geschossen hat«, sagt er und ruiniert damit die entspannte Stimmung irgendwie total. Und so beschließen wir zwei, dann doch lieber den Rückzug einzuläuten, ehe es hier noch eskaliert. Draußen auf dem Bürgersteig atmen wir erst einmal tief durch.
    »Prima«, sag ich mit Blick auf die Uhr. »In einer Stunde ist Mitternacht. Was machen wir jetzt?« Der Rudi schlüpft in seinen Anorak und schnuppert erneut ein bisschen angewidert am Ärmel. Ich verdreh die Augen.
    »Gut«, sagt der Rudi und hört auf zu schnüffeln. »Wir fahren auf die Halde. Auf die Rheinelbe-Halde, zur Himmelsleiter da oben drauf. Da ist es eh viel besser. Um Mitternacht fahren da alle hin. Hammermäßige Aussicht, sag ich dir.«
    »Na, wenn da alle hinfahren, warum nicht«, sag ich und so machen wir uns auf den Weg.
    Nach zig Serpentinen durch einen dunklen Birkenwald erreichen wir schließlich die vielstufige Treppe, die on the top führt. Die Himmelsleiter macht ihrem Namen alle Ehre. Oben erwarten uns dicke Betonstücke, die wie eine Mayapyramide aufgestapelt sind. Irgendwie schön.
    Es sind wirklich Menschenmengen auf der Halde und alle sind ausgelassen, fröhlich und besoffen. Da passen wir ausgezeichnet dazu. Dass kurze Zeit später ausgerechnet der Jürgen mitsamt seiner Tussi nun ebenfalls hier erscheint, ist zwar ärgerlich, aber nicht zu ändern. Weil es aber, wie gesagt, nur so wimmelt von Menschen, kann man sich auch ganz prima aus dem Weg gehen. Wie ich kurz darauf merke, kann sogar der Jürgen seiner Gabi ganz prima aus dem Weg gehen. Er macht sich nämlich urplötzlich mit einem ganz anderen Weibsbild aus dem Staub. Zustände sind das hier ja, wie bei Schweins hinterm Haus. Erst kurz vor Mitternacht kommt er wieder zurück und hat sein Hosentürl offen und ’ne Sektflasche in der Hand. Die schüttelt er ein paar Mal ganz kräftig und lässt schließlich den Korken knallen. Und du liebe Scheiße, die ganze Fontäne spritzt ausgerechnet auf den nagelneuen Anorak vom Rudi. Der kriegt auch gleich Zuckungen, das kann man gar nicht erzählen. Reißt sich das nasse Teil vom Leib, wirft es theatralisch auf den Boden und nimmt sich dann wutentbrannt den armen Jürgen vor. Und in null Komma nix ist hier die schönste Prügelei im Gange. Die beiden treten und schlagen und brüllen sich Morddrohungen zu und reißen sich sogar an den Haaren. Sofort ist eine Menschentraube um die beiden versammelt und feuert sie frenetisch an. Das hat schon was,
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