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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt
Autoren: Werner Schrader
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Denkmal setzen.“ Er stand auf. „Morgen früh um acht Uhr geht es los“, sagte er beiläufig. „Den Schlüssel für die Klasse findest du auf der Feuerspritze im Flur. Frau Besenhoff schließt die Haustür auf. Mach’s gut. Ich weiß, daß ich mir nun um unsere Kinder keine Sorgen mehr zu machen brauche.“
    Damit ging er, und damit hatte die kleine Gemeinde Ritzenfleth an der Unterweser einen neuen Lehrer, einen Lehrer, dem man tatsächlich ein Denkmal setzte, aber ein anderes, als Bürgermeister Reiners sich vorgestellt hatte.
     

Alle Mann an Deck!
     
    Am andern Morgen stand Käpten Snieders schon um halb acht in seiner schmucken blauen Kapitänsuniform auf der Brücke, die vom Dachgeschoß seines Strohdachhauses auf den Deich hinüberführte und die jedermann nur die Kommandobrücke nannte. Er schaute über das Deichvorland und den toten Weserarm auf die Weser, auf der ein Erzschiff lautlos nach Bremen glitt. Und dann wandte er bedächtig den großen Kopf und sah auf die Dächer der in langer Reihe hintereinanderliegenden Häuser Ritzenfleths, die sich hinter den Deich duckten, um vor dem ständig von der See her wehenden Wind geschützt zu sein.
    „Nun man los, Snieders!“ ermunterte er sich selbst. „Alle Segel gesetzt und die Anker gelichtet. Wäre doch gelacht, wenn du nicht gut vor den Wind zu liegen kämst!“
    Er sah, wie die kleine Marichen Buttjer aus der Haustür trat, ein dickes Butterbrot in der Hand und ihren Tornister auf dem Rücken. Als sie ihn auf der Kommandobrücke stehen sah, winkte sie und rief: „Moin, Käpten Snieders, wir kriegen ’n neuen Lehrer! Prima, was?“ Und damit stiefelte sie los in Richtung auf die kleine Schule, Erwartung und Neugier auf den rotglänzenden Pußbacken und in den königsblauen Kulleraugen.
    „Soso“, brummte der alte Kapitän, „freu dich man nur nicht so früh, du!“
    Auch aus den anderen Häusern kamen die Kinder nach und nach heraus und gingen einzeln, zu zweien oder auch zu mehreren die Klinkerstraße entlang. Die meisten kauten noch an einem Butterbrot. Sie winkten dem Kapitän fröhlich zu und schienen ihre Spannung kaum noch länger ertragen zu können.
    Käpten Snieders bekam beim Anblick von so viel Jugend und Unbekümmertheit doch ein bißchen Herzklopfen und fragte sich, ob er wohl damit fertig werden würde.
    Als endlich kein Kind mehr erschien, stopfte er seine Pfeife, zündete sie an und marschierte mit wiegenden Schritten in seine Dachkammer hinein.
    „Tja, Minna“, sagte er zu der Dohle, die seit vierzehn Jahren sein Hausgenosse war, „du mußt wohl bis acht Glasen allein bleiben. Ich bin nun Lehrer und muß den Kindern erzählen, daß ein Wal keine Beine hat und ein Buddel Rum sieben Mark sechzig kostet.“
    Aber Minna dachte nicht daran, ihren Zieh- und Pflegevater allein fortgehen zu lassen. Sie flog auf die Schulter des Kapitäns und schnappte zärtlich nach seinem Ohr.
    „Nun aber fix ’runter!“ schimpfte der Alte. „Oder hast du schon mal gehört, daß Dohlen mit in die Schule gehen?“
    „Minna!“ krächzte die Dohle. „Minna!“
    „Nee, nee, dein Name macht da auch nichts, du! Also sei brav und bleib schön hier.“
    Er nahm den schwarzen Vogel von der Schulter und setzte ihn auf die Lehne des Schaukelstuhls. Zärtlich streichelte er ihm mit Zeige- und Mittelfinger über das glänzende Gefieder und blickte ihm in die blauen Knopfaugen.
    „In vier Stunden bin ich wieder zurück. Du kannst ja inzwischen die Zeitung lesen.“
    Dann wandte er sich ab und öffnete die Tür zur Treppe. Bevor er sie aber hinter sich schließen konnte, saß Minna wieder auf seiner Schulter.
    „Minna“, sagte er streng, „willst du mich ärgern?“
    Der Vogel hüpfte auf seine Pfeife, rieb den Schnabel zärtlich an der Nase des Kapitäns und schrie: „Minna und Käpten Sniiiiders!“
    „Na, also dann in drei Teufels Namen“, brummte der Alte. „Komm mit, du Satansbraten.“
    Bedächtig schritt er die Treppe hinab und durch die grüne Haustür ins Freie.
    Es war wieder still auf der Straße. Die Kinder waren schon in der Schule und die Frauen und Männer auf ihren Arbeitsplätzen. Käpten Snieders rauchte heftig und fragte sich zum zehnten Male, womit er den Unterricht beginnen sollte, als er die wenigen hundert Meter zur Schule hinüberging.
    „Reiners hätte mir aber auch einen Stundenplan machen können“, brummte er.
    Da stand er schon vor der Schultür.
    Sie war geöffnet. Er konnte in den kleinen Flur blicken, sah die
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