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Kaelter als dein Grab

Kaelter als dein Grab

Titel: Kaelter als dein Grab
Autoren: Linda Castillo
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hatten. Er lief zur Tür und stürzte in die Hütte.
    „Leigh!“, rief er. „Leigh!“
    Als Antwort hörte er nur das Heulen des Windes in den Baumwipfeln. Den Schnee, der gegen die Fenster klatschte. Und das Trommeln seines Herzschlags.
    Der Schnee fiel so dicht, dass Leigh nur wenige Meter weit sehen konnte. Rasmussen hielt sie an ihrem rechten Arm gepackt. Der hinkende Kerl lief an ihrer linken Seite. Zwei Mal hatte sie sich frei machen können und hatte versucht, wegzulaufen. Zwei Mal hatten sie sie schon nach wenigen Metern wieder eingeholt, weil die Handschellen sie beim Laufen behinderten.
    Sie befanden sich auf dem Lake Michigan und waren mittlerweile seit zehn Minuten unterwegs. Der See erstreckte sich wie eine riesige gefrorene Ebene von endlosem Weiß vor ihnen.
    „Warum tust du das hier?“, fragte sie Rasmussen. „Warum bist du nicht geflohen, als du es noch konntest?“
    Er hielt inne und sah sie konzentriert an. „Weil ich einen Ruf zu verlieren habe.“
    „Einen Ruf?“
    „Du hast mich zur Lachnummer gemacht, meine Liebe. Du hast die ultimative Sünde begangen, als du mich verraten hast. Niemand verrät Ian Rasmussen und bleibt am Leben, um es weiterzuerzählen. Und erst recht keine Frau.“
    Sie schauderte, als er die Hand hob und mit dem Handrücken über ihre Wange strich. „Du darfst nicht einen Moment lang glauben, dass das hier einfach für mich ist“, sagte er. „Ich habe dich geliebt.“
    Dieser Mann hatte wirklich keinerlei Vorstellung, was Liebe bedeutete.
    Er beugte sich vor, um sie zu küssen, doch Leigh drehte den Kopf weg. „Nicht“, sagte sie.
    Rasmussen trat einen Schritt zurück. Seine Miene war so kalt und hart wie das Eis unter ihren Füßen. „In ein paar Minuten, mein Liebling, wirst du mich anbetteln, dir zu vergeben.“
    Eine Bewegung nur wenige Meter vor ihnen erweckte ihre Aufmerksamkeit. Einen Moment lang glaubte sie, dass Jake gekommen sei, um sie vor dem zu retten, was zweifellos ein schrecklicher Tod sein würde. Doch der Funken Hoffnung erstarb, als sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Der Mann in dem Parka hatte mit einer Kettensäge ein rechteckiges Loch in der Größe einer Badewanne in das Eis geschnitten. Neben dem Loch lag wie eineriesige Stahlschlange eine lange, schwere Eisenkette. Man brauchte nicht viel Vorstellungsvermögen, um zu erkennen, was sie mit ihr vorhatten.
    Ein kleiner Helikopter, der wenige Meter entfernt stand, wirkte auf dem Eis irgendwie deplatziert. Der Pilot lehnte an der Tür und rauchte eine Zigarette.
    „Irgendein Zeichen von Vanderpol?“, fragte Rasmussen.
    Der Kerl, der neben dem Eisloch stand, schüttelte den Kopf. „Bislang nicht.“
    „Vermutlich ist er bei der Hütte“, sagte der Mann neben ihr.
    Rasmussen blickte zum Hubschrauber. „Ich hatte gehofft, er würde hier sein, um Zeuge ihres Todes zu werden.“
    Alle drei Männer sahen zu dem Piloten, der sich der Gruppe näherte. „Wir müssen jetzt abheben, Mr Rasmussen. Wir erwarten starken Schneefall. Die Sicht wird immer schlechter. Wenn das Wetter noch schlechter wird, kommen wir hier unter Umständen nicht mehr weg.“
    Rasmussen nickte und blickte dann zu Leigh. „Legt ihr die Kette an.“
    Leigh hatte gedacht, sie wüsste, was Panik sei. Doch der Gedanke an das, was sie ihr antun wollten, war schlimmer als alles, was sie sich in ihren schlimmsten Albträumen hätte ausmalen können. Ihr ganzer Körper wurde von Angst geschüttelt. Ihr Herz raste unkontrolliert in ihrer Brust.
    Rasmussen schien ihre Furcht zu genießen. „Diese sechs Meter lange Kette wiegt etwa einhundert Pfund, Liebes. Wenn wir dich damit fesseln und dich ins Wasser werfen, gehst du unter wie ein Stein.“
    „Tu das nicht“, hörte sie sich sagen.
    „Das Wasser an dieser Stelle ist ungefähr zwölf Meter tief“, fuhr er fort. „Das Eis hier oben im Norden schmilzt nicht vor April. Bis dahin sind von dir vermutlich nur noch Knochen übrig. Niemand wird jemals deine Leiche finden.“
    „Du Mistkerl“, würgte sie hervor.
    Er hob einen seiner Mundwinkel. „Bye-bye, mein Liebling.“ Er nickte den beiden Männern zu. „Los.“
    Der Mann mit dem Pferdeschwanz bückte sich, um ein Ende der schweren Kette aufzuheben. Der andere ging auf sie zu. Eine Flucht war so gut wie aussichtslos. Die Chancen, dass sie davonkam, gingen gegen null. Doch ihr Lebenswille ließ sie nicht aufgeben, nicht ohne ihnen einen Kampf zu liefern.
    Sie rannte los. Die Handschellen behinderten sie, doch sie ließ sich
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