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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis
Autoren: Juliet Hall
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riesiger Sprung gewesen. Doch nachdem sie ein Jahr lang mit beidem jongliert und neben ihrer normalen Arbeit bei der Zeitschrift auch freiberuflich gearbeitet hatte, hatte sie es geschafft. Heute konnte sie die Artikel schreiben, die sie wirklich schreiben wollte, und hatte die Freiheit, ihre eigenen Aufträge auszuwählen und zu recherchieren. Undsie konnte davon leben, auch wenn das Geld zugegebenermaßen manchmal knapp wurde.
    Für Redaktionskonferenzen und Ähnliches war es schon praktisch, in der Stadt zu leben, aber es war keine zwingende Voraussetzung. Sie musste zwar ständig auf dem Sprung sein und alles stehen und liegen lassen, um dort hinzufahren, wo die nächste Geschichte oder der nächste Artikel sie hinführten, aber solange sie sich im Einzugsbereich eines anständigen Flughafens oder Bahnhofs befand, machte es keinen Unterschied. Ihre Texte konnte sie per E-Mail schicken. Gut, da waren ihre Freundinnen. Besonders Jude und ihre Frauenabende, bei denen sie gemeinsam eine Flasche Wein leerten und auf die ganze Welt schimpften, würden ihr fehlen. Und natürlich James. Sie dachte an ihn. Sie hatte ihn zuletzt gesehen, als sie mit dem Taxi zum Bahnhof gefahren war. Er hatte im Türrahmen gestanden, hochgewachsen und blond, und seine noch verschlafenen Augen hatten verwirrt dreingeblickt. Aber war James noch ein Teil ihres Lebens? Sie wusste es nicht.
    »Also, wir nehmen uns ein Zimmer nach dem anderen vor. Immer drei Stapel, Liebes.« Mel strich sich eine rotbraune Haarsträhne hinters Ohr zurück. »Einen mit Sachen, die du behalten willst, einen für alles, was du verkaufen willst, und einen für die Wohlfahrt.«
    So weit, so gut.
    Als sie um die Mittagszeit Pause machten, um ein Bier zu trinken und ein Sandwich mit Käse und Chutney zu essen, hatte Ruby das Gefühl, dass sie wirklich vorankamen. Sie hatte viele Tränen vergossen, aber sie tat das, wozu sie zwei Monate lang nicht den Mut aufgebracht hatte. Endlich machte sie reinen Tisch. Es war schwer, aber heilsam.
    Sie schaute sich um. Es war so warm, dass sie draußen am Gartentisch sitzen und die gute, frische Luft atmen konnten. Die altmodischen Duftwicken, die ihre Mutter geliebt hatte, blühten an dem verwitterten Spalier an der Rückwand des Hauses, und die Brise trug ihren Geruch herüber. Ihre Mutter hatte immer Sträuße davon für das Haus geschnitten. »Damit auch jeder weiß, dass es Sommer ist«, pflegte sie zu sagen. Ruby beschloss, dass sie heute Nachmittag dasselbe tun würde.
    »Du willst sicher sobald als möglich zurück nach London.« Mel kaute ihr Sandwich und setzte eine furchtbar traurige Miene auf. Mel hatte ihre wahre Berufung im Leben verfehlt; sie hätte Schauspielerin werden sollen. Aber sie hatte mit achtzehn Stuart kennengelernt und sich heftig und unwiderruflich verliebt. Stuart war Buchhalter, und Mel hatte ihr eigenes Geschäft, das sie vor zehn Jahren gegründet hatte: den Hutladen in der High Street von Pridehaven, der sich inzwischen zu einem florierenden Konzern gemausert hatte. Mel hatte das Angebot erweitert und bot jetzt auch originelle Accessoires an: witzige Krawatten, bedruckte Seidenschals, handgemachte Lederhandtaschen und -gürtel. Doch am Schwerpunkt hatte sich nichts geändert. In Pridehaven gab es heute sogar ein eigenes Hutfestival, hatte sie Ruby vorhin erzählt. Vergiss London, Liebes, Pridehaven ist der neue Hotspot .
    Vielleicht hatte Mel ja recht. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich wieder zurückgehe.« Ruby streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Dieser Garten hatte ihr gefehlt, die Möglichkeit, draußen zu sein. Und sie hatte es vermisst, am Meer zu leben.
    Ruby hatte Dorset vor zehn Jahren verlassen. Sie war damals fünfundzwanzig Jahre alt und wollte unabhängig sein,Neues sehen, ein anderes Leben führen. Die Lokalgeschichten bei der Gazette , die Interviews mit kleineren Berühmtheiten aus der Gegend und ihre wöchentliche Gesundheitsseite langweilten sie. Um die Stelle bei Women in Health hatte sie sich beworben, weil sie ihr mondän und aufregend vorkam und sie damit etwas entfliehen konnte, was ihr inzwischen allzu provinziell erschien. Als sie James kennenlernte, hatte sie eine Zeit lang gedacht, dass sich alles wunderbar gefügt hatte. Er war attraktiv, intelligent, und sie fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft. Sie hatten beide Jobs, die ihnen Spaß machten, und die Stadt lag ihnen zu Füßen. In London gab es alles, was man sich nur wünschen konnte   – Theater, Musik, Kino,
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