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Julians süßes Blut (German Edition)

Julians süßes Blut (German Edition)

Titel: Julians süßes Blut (German Edition)
Autoren: Simon Rhys Beck
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trauerte er nicht. Er war nur enttäuscht, daß er sich nicht von ihr hatte verabschieden können. Und so stand er eine ganze Weile grübelnd an dem Gerät mit dem Blatt in der Hand. Starrte auf die handgeschriebenen Zeilen. Bis ihm der zweite Teil der Botschaft bewußt wurde. Julian würde nach London kommen? Er kam, um ihn kennenzulernen? Erschrocken hielt er den Atem an. Schwankte zwischen Freude und Panik. War es wirklich gut für Julian, wenn er hierher kam? Nein, eigentlich nicht. Eigentlich war es eine Katastrophe, auch wenn er ihn sehr gern, wirklich unglaublich gern sehen würde.
    Er war so in Gedanken versunken, daß er Alex’ heimliche Schritte nicht wahrnahm. Dieser schlang die Arme um ihn.
    »Was hast du für eine erschütternde Nachricht erhalten, mein lieber Brian?« Alex’ Stimme war wie ein Windhauch an seinem Ohr und ließ ihn wohlig erschaudern.
    Brian hielt Alex das Blatt vor die Nase. Dieser überflog es. »Ah, eine wirklich interessante Neuigkeit. Dann wird es in der nächsten Zeit ja wieder sehr spannend werden in diesem Haus.« Er lachte leise, ein wenig boshaft.
    »Ich glaube nicht, daß es gut ist, wenn der Junge kommt«, sagte Brian und befreite sich aus Alex’ Umarmung.
    »Du meinst, weil es gefährlich ist?« fragte Alex grinsend. »Oder weil er verdorben werden könnte?«
    »Ach Alex. Es könnte ihn nur das Leben kosten, nicht wahr?« Brian imitierte Alex’ Tonfall fast perfekt.
    Dieser grinste immer noch. »Laß ihn kommen. Ich verspreche, ich werde mich beherrschen. Aber was dich angeht, habe ich so meine Bedenken.«
    »Warum?« Brian versuchte, Alex’ Gesichtsausdruck zu ergründen.
    »Es fließt dein Blut in seinen Adern. Dein süßes Blut. Es wird dich umbringen, mein Liebster. Seine Nähe, sein Geruch. Glaub mir, weder für mich, noch für Gabriel wird es eine solche Qual sein.« Sanft strich er über Brians fein geschwungene Lippen.
    »Ich werde es aushalten können«, sagte Brian zuversichtlich. »Sagst du René, daß er ihn abholen soll?«
    »Selbstverständlich, Brian. Ich freue mich, deinen Sohn kennenzulernen. Ich bin wirklich gespannt.«

Drei
     
     
     
    Verhaßt ist mir das Folgen und das Führen.
    Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren.
    Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren
    Mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
    In holder Irrnis grüblerisch zu hocken,
    Von ferne her mich endlich heimzulocken,
    Mich selber zu mir selber – zu verführen.
    Friedrich Nietzsche
     
     
     
     
    Fröhlich setzte ich mich raus in den großen Garten. Ich hatte eine geradezu unverschämt gute Laune. Jetzt würde ich also Brians Nachkommen kennenlernen. Wenn er   so war, wie Brian, dann würde es ein ganz wundervolles Zusammentreffen werden. Ich war eigentlich sehr froh über diese unerwartete Abwechselung, denn Henrys Tod arbeitete noch in mir. Ich hatte den alten Mann sehr gemocht. Ich hatte ihn geliebt. Wie gern hätte ich ihn für immer bei mir gehabt. Ich hatte an seinem Bett gesessen, hatte ihn begleitet. Mit ihm gesprochen oder einfach nur zugehört. Und ich hatte ihm zum letzten Mal das Angebot gemacht – er lehnte es ab. Lehnte es einfach ab mit den Worten: Ich habe so viel gesehen in meinem Leben. Ich bin jetzt müde. Ich gehe wirklich ohne Angst, Alex.
    Ich hatte daneben gesessen und geweint. Jetzt schämte ich mich dafür, aber Henry hatte wenigstens erfahren, wieviel er mir bedeutete. Oh, ich konnte den Tod eines geliebten Menschen nicht gut wegstecken. Es brach mir das Herz. Aber er war nicht traurig gewesen, nicht ängstlich. Und schließlich war er einfach eingeschlafen. Ich hatte ihm die Augen zugedrückt und an seinem Bett gewacht. Und getrauert.
    Es dauerte nicht lange, da tauchte Henrys Neffe René auf, denn Henry hatte ihm das alte Haus vererbt. Und als er das Haus gesehen hatte, war ihm klar, daß er nach London ziehen mußte. René war ein junger, aufstrebender Anwalt, ehrgeizig bis ins Blut. Aber grundehrlich. Er hatte einige übersinnliche Gaben seines Onkels geerbt, und daher erkannte er uns sofort als das, was wir waren. Ich hatte also nur die Wahl, ihn zu töten oder ihn einfach einzuweihen. Ich nahm ihn mit ins Bett.
    Mittlerweile hat er alle juristischen Angelegenheiten hier in London für mich übernommen. Er ist ein fähiger Mann und – davon abgesehen – brauche ich tatsächlich immer jemanden, der sich zu jeder Tageszeit frei bewegen kann. Ich hoffe, er ist Henry ein ebenbürtiger Nachfolger.
    In den letzten Jahren habe ich noch
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