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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn
Autoren: Mit List und Küssen
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bemerkte seine Begleiterin
und feixte selbstgefällig.
    Honoria schluckte und blinzelte heiße Zornestränen zurück. Bislang
hatte sie sich immer eingebildet, dass sie, sollte jemand sie in aller
Öffentlichkeit beleidigen, mit schneidendem Witz kontern würde. Ihr Timing wäre
makellos, und sie würde ihren Gegner mit so viel Verve und Stil vernichten,
dass ihm gar nichts anderes übrig bliebe, als den Schwanz einzuziehen und
davonzuschleichen.
    Aber jetzt, wo es passierte, war sie wie gelähmt. Sie konnte den
Mann nur anstarren und mit zitternden Händen um Selbstbeherrschung ringen.
Später würde ihr allerlei einfallen, was sie hätte sagen sollen, aber im
Augenblick herrschte in ihrem Kopf nur nebliges Chaos. Sie hätte auch dann
keinen vernünftigen Satz herausgebracht, wenn ihr irgendwer Shakespeares
gesammelte Werke in die Arme gelegt hätte.
    Sie hörte, wie noch jemand lachte, und dann noch jemand. Er
gewann. Dieser schreckliche Mann, dessen Namen sie nicht einmal kannte, war in
ihr Haus gekommen, beleidigte sie vor all ihren Bekannten, und dann gewann er
auch noch. Grundsätzlich mochte er ja recht haben, und doch war das, was er
sagte, aus vielen Gründen vollkommen verkehrt. Ihr Geigenspiel war tatsächlich
schrecklich. Aber trotzdem wussten die Leute doch, dass man sich so nicht
benehmen konnte. Bestimmt würde bald jemand vortreten und sie verteidigen.
    Und dann hörte sie über das gedämpfte Gelächter und die gezischten
Gemeinheiten hinweg das unmissverständliche Klicken von Stiefeln auf Parkett.
Langsam, wie in einer Welle, hoben die Schaulustigen den Kopf und blickten
Richtung Tür. Und was sie dort sahen ...
    Honoria
verliebte sich auf der Stelle noch einmal neu.
    Marcus, der Mann, der in ihren Krippenspielen
immer den Baum hatte geben wollen; Marcus, der Mann, der seine Geschäfte
lieber in aller Stille abwickelte; Marcus, der Mann, der es hasste, im
Mittelpunkt zu stehen ...
    War dabei, eine Riesenszene zu machen.
    »Was haben Sie zu ihr gesagt?«, fragte er
und durchmaß den Raum wie ein zorniger Rachegott. Ein zerzauster und blutiger
Rachegott, der zufällig kein Krawattentuch trug, aber trotzdem beeindruckend
zornig wirkte. Und absolut göttlich, ihrer Meinung nach.
    Der elegante Gentleman zuckte zurück.
Tatsächlich zuckte eine ganze Reihe Leute zurück; Marcus sah tatsächlich ein wenig
wild aus.
    »Was haben Sie zu ihr gesagt, Grimston?«, wiederholte Marcus
und blieb erst stehen, als er direkt vor ihrem Peiniger stand.
    Blitzartig kam die Erinnerung. Vor ihr stand
Basil Grimston. Er war London ein paar Jahre ferngeblieben, aber zu seinen
Glanzzeiten war der Mann allseits berüchtigt gewesen für seinen grausamen Witz.
Ihre Schwestern hatten ihn verabscheut.
    Mr Grimston hob das Kinn und erklärte: »Nur
die Wahrheit.«
    Marcus ballte eine Hand zur Faust und wiegte sie in der anderen
Hand. »Sie wären nicht der Erste heute Abend, mit dem ich mich schlage«,
sagte er ruhig.
    In diesem Augenblick bekam Honoria ihn endlich
richtig zu Gesicht. Er sah völlig ungebändigt aus – das Haar stand ihm in alle
Richtungen ab, um sein Auge breitete sich ein schwarzblauer Fleck aus, und sein
Mund war links schon leicht angeschwollen. Sein Hemd war zerrissen und voller
Blut- und sonstiger Flecken, und wenn sie sich nicht irrte, klebte an seiner
Rockschulter eine winzige Feder.
    Sie fand,
er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. »Honoria?«, flüsterte
Iris und grub ihr die Finger in den Arm. Honoria schüttelte den Kopf. Sie
wollte jetzt nicht mit Iris reden. Sie wollte Marcus keine Sekunde aus den
Augen lassen.
    »Was haben Sie zu ihr gesagt?«, fragte
Marcus noch einmal.
    Mr Grimston wandte sich an die Menschenmenge. »Diesem Menschen
muss man doch sicherlich die Tür weisen. Wo ist unsere Gastgeberin?«
    »Hier bin ich«, sagte Honoria und trat
vor. Streng genommen entsprach das nicht ganz der Wahrheit, doch ihre Mutter
war nirgends zu sehen, und sie dachte sich, sie wäre die nächstbeste
Vertreterin.
    Aber als sie Marcus ansah, schüttelte er unmerklich den Kopf, und
so trat sie schweigend an ihren Platz neben Iris zurück.
    »Wenn Sie sich nicht bei Lady Honoria entschuldigen«, sagte
Marcus in furchterregend ruhigem Ton, »bringe ich Sie um.«
    Ein entsetztes Raunen ging durch die Menge.
Daisy tat, als fiele sie in Ohnmacht, und ließ sich elegant gegen Iris sinken,
die prompt auswich und sie zu Boden stürzen ließ.
    »Ach, nun kommen Sie schon«, sagte Mr
Grimston. »Wir
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