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Jugend

Jugend

Titel: Jugend
Autoren: Josef Conrad
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was konnte man anderes erwarten; denn war die Kohle als solche auch tadellos gewesen, so war sie doch so of umgeladen und dabei so zerrieben worden, daß sie jetzt eher wie Schmiedekohle als wie sonst etwas aussah. Außerdem war sie feucht geworden – mehr als einmal. Es regnete die ganze Zeit über, da wir sie aus der Hulk wieder übernahmen, und nun war sie auf der langen Überfahrt erhitzt worden, und so kam es denn wieder einmal zu einem Fall von Selbstentzündung.
    Der Kapitän rief uns in die Kajüte. Er hatte eine Seekarte vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und blickte unglücklich drein. Er sagte: ›Die Küste von Westaustralien ist nah, doch ich gedenke, weiterhin auf unseren Bestimmungshafen zuzuhalten. Es ist obendrein der Orkanmonat; aber wir wollen direkt Kurs auf Bangkok nehmen und das Feuer bekämpfen. Keine weiteren Aufenthalte, und wenn wir auch alle geröstet werden sollten. Wir wollen zunächst einmal versuchen, diesen verflixten Brand durch Lufmangel zum Ersticken zu bringen.‹
    Wir versuchten es. Wir nagelten alles zu, und noch immer rauchte die Bark. Der Rauch stieg auch weiterhin durch unwahrnehmbare Ritzen; er drang durch Schotten und Luken; er sickerte hier und dort und überall in dünnen Fäden hervor, in einem unsichtbaren Dunst – unfaßlich. Er suchte sich seinen Weg in die Kajüte, ins Logis; er verpestete die windgeschützten Winkel an Deck, man konnte ihn bis zur Großrahe hinauf riechen. Und wenn der Rauch herauskonnte, dann konnte natürlich auch Luf hinein. Es war entmutigend. Dieser Brand ließ sich nicht ersticken.
    Wir beschlossen, es mit Wasser zu versuchen, und öffneten die Luken. Gewaltige Rauchmassen – weißlich-gelblich, dick, fettig, dunstig, zum Ersticken – stiegen bis hinauf zu den Flaggenknöpfen. Alle Mann liefen nach achtern. Dann wurde die gifige Wolke fortgeweht, und wir machten uns in einem Qualm an die Arbeit, der jetzt nicht dicker war als der eines gewöhnlichen Fabrikschornsteins.
    Wir nahmen die Druckpumpe in Betrieb, holten den Schlauch längs Deck – und er platzte. Nun, er war so alt wie das Schiff – ein vorsintflutlicher Schlauch und nicht zu reparieren. Dann pumpten wir mit der schwachen vorderen Pumpe, schöpfen das Wasser in Pützen herauf, und auf diese Weise gelang es uns, nach und nach viel vom Indischen Ozean in die Großluke hinunterzuschütten. Der helle Strahl blitzte in der Sonne auf, platschte in einen weißen, kriechenden Rauchschwaden und verschwand auf der schwarzen Oberfläche der Kohle. Dampf stieg auf und vermischte sich mit dem Rauch. Wir schütteten Salzwasser hinein, wie in ein Faß ohne Boden. Das Pumpen war unser Schicksal auf diesem Schiff: herauspumpen und hineinpumpen; und nachdem wir erst das Wasser draußen gehalten hatten, um uns vor dem Ertrinken zu retten, gössen wir jetzt wie wild Wasser hinein, um nicht zu verbrennen.
    Und die Bark kroch in strahlendem Wetter dahin, kämpfen oder untergehen. Der Himmel war ein Wunder an Reinheit, ein Wunder an tiefer Bläue. Das Meer – spiegelblank, azurn, durchsichtig, glitzernd wie ein kostbarer Stein – dehnte sich nach allen Seiten bis hin zum Horizont: gleichsam als sei die ganze Erdkugel ein einziges Juwel, ein kolossaler Saphir, ein Edelstein, geschliffen in Form eines Planeten. Und im Feuer des großen, ruhigen Meeres glitt die Judea verschwindend klein dahin, umgeben von schlappen, unreinen Dünsten, in einer trägen Wolke, die leewärts zog, hell und langsam: eine Pestwolke, ein Fleck auf der Pracht des Meeres und des Himmels.
    Die ganze Zeit über sahen wir natürlich kein Feuer. Die Kohle glomm irgendwo am Boden des Laderaums. Einmal sagte Mahon, als wir Seite an Seite arbeiteten, mit einem sonderbaren Lächeln: ›Wenn sie jetzt nur leckspränge – wie damals, als wir zum erstenmal den Kanal hinter uns hatten –, das würde dieses Feuer zum Erlöschen bringen. Nicht wahr?‹ Ich bemerkte beiläufig: ›Erinnern Sie sich noch der Ratten?‹
    Wir bekämpfen das Feuer und segelten so umsichtig weiter, als wäre nichts vorgefallen. Der Steward kochte und versorgte uns. Von den übrigen zwölf Mann arbeiteten jeweils acht, während vier ruhten. Jeder kam an die Reihe, der Kapitän eingeschlossen. Es herrschte Gleichheit, und wenn auch nicht gerade Brüderlichkeit, so doch weitgehende Einträchtigkeit. Manchmal brüllte ein Mann, wenn er eine Pütze voll Wasser in die Luke goß: ›Hurra für Bangkok!‹ und die übrigen lachten. Doch im allgemeinen waren wir
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