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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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kann, das deutlich kleiner ist, als das on tour verwendete. Da steht eine Bassdrum, da gibt es eine Hängetom, eine Floortom, eine Snaredrum, zwei Crashbecken und ein Ridebecken. Fertig. Mehr braucht es nicht für Rock’n’Roll. Alles andere wäre Angeberei. Jürgen ist glücklich in seiner kleinen Küche. „Wie in Hippiezeiten“ schwärmt er schon nach wenigen Stunden. Und jetzt? „Wir haben auch die fertigen elektrischen Versionen von Songs, die wir jetzt unplugged aufnehmen, nicht mehr angehört“, sagt er in einer Pause. Damit kommt man dem Prinzip von
3 x 10Jahre
ziemlich nahe: Einfach so arbeiten, als gehe es um einen völlig neuen Song, von dem es nur eine Akkordstruktur und eine Gesangsmelodie gibt, quasi den ganzen Bau hinter den Grundmauern neu hochziehen. Manchmal, wird sich zeigen, macht auch allein halbes Tempo eine völlig andere Grundstimmung. Micha hat es vorgeschlagen für „Kron’ oder Turban“. Erst haben alle ihn entgeistert angestarrt, der Tenor war: „Also Micha, echt …“ Dann haben sie sich wieder auf ihre Barhocker gesetzt, Jürgen hat sein Metronom auf halftime eingestellt, und es hat gepasst. Ausprobieren, musizieren. Das Bandprinzip, hier strahlt es. Das merken auch die Gäste, denn sie werden bei den Unplugged-Aufnahmen umstandslos integriert. Da ist Anne de Wolff, für manche schon als sechstes Bandmitglied wahrgenommen, und da ist Rani Krija, der marokkanische Percussionist, der unter anderem mit Sting spielt. „Der könnte taubstumm sein, der braucht nicht reden, der stellt sich an die Dinger und fängt an zu spielen, und sofort wirst du inspiriert, mit dem zu spielen.“ Brüder im Groove. Jürgen hat ihn quasi vom Fleck weg für die BAP-Session verpflichtet. Paul Shigihara, der Gitarrist der WDR-Bigband (und ganz früher Mitstreiter von Wolf Maahn), probte gerade für ein Programm mit arabischen Percussionisten, lud Jürgen zu einer dieser Proben ein und flüsterte ihm hinterher ins Ohr: „Ruf’ den doch mal an, der ist klasse, und der freut sich sicher.“ Jürgen machte klar, dass Rhani im Studio die von der Band gewünschten Parts mit den afrikanischen Trommeln übernimmt.
    Es ist der letzte Tage des „Übens“. Die Band hat die Songs für das
Unplugged-Album
seit dem 3. Januar immer wieder und wieder gespielt, kleine Veränderungen vorgenommen, Vorschläge diskutiert, die Instrumentierungen fein-getuned, bis die endgültige, die aufzunehmende Version verabschiedet ist. Den Diskussionen hört man an, worauf es dem Produzenten ankommt: den Song möglichst auf seine Essenz zu reduzieren. Da soll nichts Überladenes sein. Da wird es auch fast keine Overdubs geben. Alles live. Und man hat noch Platz gelassen für die Parts von Anne. Anne wird mittags kommen, dann wird es ernst. Stackman macht sein Mischpult klar, der andere Wolfgang denkt zehn Jahre zurück.
Tonfilm,
das erste Album nach dem Ausstieg von Major und Effendi, hätte schon das
Unplugged-Album
sein sollen, wurde dann letztlich aber ein Kompromiss. „Das saß zwischen allen Stühlen, das sollte einerseits unsere Unplugged-Taug-lichkeit beweisen, aber andererseits auch niemanden verschrecken, der BAP als Rockband hören wollte. Also rockte es mit angezogener Handbremse.“ Vielleicht, philosophiert der Sänger, hätte man in der damaligen Umbruchphase der Band noch ein halbes Jahr warten sollen, und dann in Ruhe das nächste reguläre Rock’n’Roll-Album mit ausschließlich neuem Material aufnehmen sollen.
    9. Januar, nachmittags. „Morje fröh doheim“ – die akustische Version der ersten Single rundet sich in diesen Nachmittagsstunden. Draußen trübes Wetter, drinnen eine hochkonzentrierte Band, die brennt. Man muss das gesehen haben. Die Körpersprache von fünf gestandenen Männern zwischen 40 und 60. Wenn sie einen Take auf die Festplatte gespielt haben und Stackman zur kurzen Abhörsession ruft. Und die Körpersprache des Produzenten, der die ganze Zeit wie ein Fußballfan beim Endspiel kauernd auf seinem Sessel sitzt und nach vorne an die Kante rutscht, wenn „seine“ Mannschaft in den gegnerischen Strafraum eindringt. Man sieht in seinem Gesicht nach spätestens zwei Minuten, ob das, was die Jungs auf der anderen Seite der Scheibe spielen, nach „definitiver Version“ klingt. Wenn es sich so anfühlt, taucht in diesem Moment das Fragezeichen auf des Stack-mans Stirn auf … ob sie es wohl in dieser Dichte über die noch zu spielenden zwei Minuten bringen werden?
    „Augsburg, Osnabrück
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