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Judith

Judith

Titel: Judith
Autoren: Jude Deveraux
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daß es keinen Zweck hatte, an Gavins Vernunft zu appellieren. Er beobachtete mit angehaltenem Atem die Feuerwand neben dem Bruder. Bedrohlich wankte sie leicht hin und her.
    Als das brennende Holz dann plötzlich in sich zusammenfiel, war Gavin mit einem Satz von der Leiter. Raine hechtete vor und riß ihn von den niederstürzenden Balken fort.
    »Verdammt! « schimpfte Gavin, als der Körper des Bruders ihn zu Boden preßte. »Du erdrückst mich! «
    Raine richtete sich schwerfällig auf. Seine Glieder schmerzten von dem stundenlangen Einsatz. Mit einem grimmigen Lächeln sagte er: »Ist das der Dank dafür, daß ich dir das Leben gerettet habe? Warum bist du so lange auf der Leiter geblieben? Nur ein paar Sekunden noch, dann wärst du bei lebendigem Leibe geröstet worden. «
    Gavin fuhr sich über sein verschmutztes Gesicht und sah zu dem brennenden Haus hinüber. Das Feuer wütete jetzt innerhalb der Steinmauern und griff nicht weiter um sich.
    Nachdem er sich vergewissert hatte, daß die anderen Gebäude nicht gefährdet waren, wandte sich Gavin seinem Bruder wieder zu.
    »Warum hast du mich zurückgerissen? « brummte er und bewegte seine schmerzende Schulter.
    Raine blitzte ihn wütend an. »Meinst du, ich lasse zu, daß du in den Flammen umkommst? «
    Gavin grinste. Seine Zähne leuchteten in dem rußgeschwärzten Gesicht. »Also gut. Danke. Aber jetzt muß ich weitermachen. « Er ging zu den Männern hinüber, die Eimer um Eimer Wasser in die Flammen gossen.
    Raine zuckte die Schultern und wandte sich ab. Gavin war es, der von seinem sechzehnten Lebensjahr an auf dem Besitz der Montgomerys zu bestimmen hatte. Und er nahm seine Verantwortung sehr ernst. Er würde bis zum letzten Atemzug kämpfen, wenn es um den Besitz ging. Und er war gerecht. Ob es sich um den niedrigsten Diener oder den gemeinsten Dieb handelte, er maß alle nach den gleichen Maßstäben.
    Sehr spät in der Nacht kehrte Gavin in die Burg zurück. Er ging in den Raum, der der Familie als Speisesaal diente. Erst seit kurzem hatte man dieses Zimmer eingerichtet. Auf dem Boden lagen dicke Teppiche. Die Wände waren getäfelt. Der Raum wurde von einem mächtigen Kamin beherrscht, der eine ganze Wand einnahm. Und über dem Kaminsims war das Wappen der Montgomerys eingemeißelt.
    Raine saß schon am Tisch. Er hatte bereits gebadet und sich saubere Kleidung angezogen. Vor ihm stand ein silbernes Tablett mit gebratenem Schweinefleisch, frischem Brot und getrockneten Äpfeln und Birnen.
    Zufrieden nickte er seinem Bruder zu und zeigte auf den großen Holzbottich mit dem dampfend heißen Wasser, der vor dem prasselnden Feuer im Kamin stand.
    Gavin spürte erst jetzt die Müdigkeit in allen Gliedern. Er streifte schnell seine Kleider vom Körper und stieg in den Bottich. Das warme Wasser tat seiner mit Schürf-und Brandwunden bedeckten Haut gut.
    Eine Magd tauchte aus der Tiefe des Raumes auf und schickte sich an, ihm den Rücken einzuseifen.
    »Wo ist Miles? « fragte Raine, der mit bestem Appetit kaute.
    »Ich hab ihn zu den Revedounes geschickt. Er erinnerte mich daran, daß heute die Verlobung stattfinden sollte. Na, und er ist als mein Stellvertreter hingeritten. « Gavin beugte sich vor, während ihm der Rücken gewaschen wurde. Er sah seinen Bruder nicht an.
    Raine verschluckte sich fast an einem Stück Brot. »Was… was hast du gemacht? «
    »Miles als Stellvertreter zu der Verlobungsfeier bei den Revedounes geschickt«, wiederholte Gavin ruhig.
    »Hast du den Verstand verloren? « fuhr Raine auf. »Es geht nicht um einen Pferdehandel, sondern um eine Frau! «
    Gavin starrte ihn an. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos. »Das weiß ich. Das mußt du mir nicht sagen. Wenn sie keine Frau wäre, würde man mich nicht drängen, sie zu heiraten. «
    »Drängen? « Raine lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er konnte sich vorstellen, was in Gavin vorging. Während seine drei Brüder frei und ungebunden durchs Land reiten, auf Burgen Feste feiern und sogar Reisen bis ins Heilige Land machen konnten, war er an seine Pflichten gebunden.
    Er war siebenundzwanzig Jahre alt, und außer dem vor kurzem aufflackernden Aufstand in Schottland, war Gavin in den vergangenen elf Jahren kaum einmal von zu Hause fortgekommen.
    »Judith Revedoune ist eine Lady, Gavin«, sagte Raine. »Ihr hat man beigebracht, daß sie von einem Mann Höflichkeit und Achtung erwarten kann. Du hättest selbst zu ihr gehen und ihr sagen sollen, daß du sie zur Frau nehmen möchtest.
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