Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne
Autoren: 01 Die Spielleute von Dalemark
Vom Netzwerk:
Hälfte der Einwohner Dalemarks in Knechtschaft lebe, und die Grafen des Südens behaupteten, der Norden schmiede finstere Pläne gegen sie. Im Jahr von Brids Geburt hatten alle Grafen und Barone des Südens Keril von Hannart zu ihrem Erzfeind erklärt. Danach wagten nur noch bevollmächtigte Kaufleute und Barden mit Freibriefen, die Grenze zu überschreiten, die quer durch Dalemark verlief, und wenn sie im Süden nicht jederzeit ihre Harmlosigkeit beweisen konnten, endeten sie hinter Gittern.
    Moril hatte einige dieser Kaufleute und noch mehr Barden kennen gelernt. Für keinen davon hatte Clennen lobende Worte übrig, es sei denn für den Barden Hestefan, dem Moril noch nicht begegnet war. Niemals aber hatte Moril gehört, dass einer von ihnen sich geweigert hätte, einen Fahrgast mitzunehmen. Bei sich dachte er, dass sie alle sehr geduldige Menschen sein müssten.
    »Was bekommen wir dafür?«, fragte Lenina.
    »Wart’s nur ab«, entgegnete Clennen und lachte.
    »Das ist ja alles gut und schön«, sagte Brid, die wieder die Unzufriedenheit übermannt hatte. »Aber warum müssen wir immer jemanden mitnehmen? Warum kann der dämliche Norden sich nicht wieder mit dem dummen Süden vertragen?«
    »Das solltest du mir erklären«, erwiderte Clennen. Und nachdem Brid eine Weile gestammelt hatte, lachte er auf und sagte: »Würdest du dich mit jemandem versöhnen wollen, von dem du genau weißt, dass er dir bei der ersten Gelegenheit einen Dolch in den Rücken stößt? Vergiss das nie. Stell dir nur vor, früher ist der Süden einmal genauso frei gewesen wie der Norden. Auch das vergiss bitte nie.«
    So etwas im Süden zu sagen, war sehr mutig. Den letzten Aufstand hatten die Grafen brutal niedergeschlagen, und die strengen Gesetze von damals waren nach wie vor in Kraft. Im Süden war es nicht ratsam, Missfallen über die herrschenden Zustände zu äußern. Es war ein offenes Geheimnis, dass es dort von Spitzeln und Zuträgern nur so wimmelte, die alles und jeden beobachteten und belauschten; beim kleinsten Anzeichen rebellischer Gedanken schlugen sie Alarm.
    Während Clennen so in einem Atemzug vom Norden, vom Süden und von der Freiheit sprach, ließ Lenina unruhig den Blick über die Hecken schweifen, um sich zu vergewissern, dass niemand zugehört hatte. Moni ertappte sich, dass er ohne nachzudenken ebenfalls nach Lauschern Ausschau hielt.
    Doch noch waren die Hecken dünn genug, um durch sie hindurchzublicken, obwohl sie bereits knospten. Nur Vögel waren darin zu entdecken. Die einzigen Menschen in Sicht pflanzten eine gute Meile entfernt am Hang Weinstöcke. An der nächsten Abzweigung aber, die zu einem dieser Weinberge führte, wartete ein Mann am Straßenrand. Neben ihm stand eine riesige, dickbauchige Flasche auf dem Boden, deren untere Hälfte in einem Strohkorb steckte. Der Mann winkte, und Dagner zügelte das Pferd. Olob blickte die schwere Flasche voll düsterer Ahnungen an.
    »Guten Abend, Flind«, sagte Clennen. »Ist das dort zu deinen Füßen unser Lohn?« Der Mann nickte. Er blieb ernst, obwohl Clennen ihn breit anstrahlte. »Das habe ich gehofft«, sagte Clennen. »Wo ist unser Fahrgast?«
    Flind deutete mit dem Daumen. Der Fahrgast saß hinter dem großen Gefäß im Schatten. Wahrscheinlich suchte er Zuflucht vor der Sonne. Er sah erhitzt und ungepflegt aus und schien sehr unzufrieden. Anscheinend war er ein wenig jünger als Dagner.
    »Hilf ihm in den Wagen«, sagte Clennen zu Moril.
    Moril tat sein Bestes, doch der Fahrgast schlug die helfende Hand aus. »Das kann ich allein«, sagte er. »Ich bin doch kein Krüppel.«
    Recht behände kletterte er in den Wagen und setzte sich auf den Boden. Die Leinwandplane war halb hochgerollt, und der Fremde schien froh zu sein, endlich einen Platz im Schatten zu finden. Moril warf ihm einen finsteren Blick zu und hoffte, dass dessen Verdrossenheit vor allem auf die Hitze zurückzuführen war. Er wusste aus bitterer Erfahrung, dass jemand in Dagners Alter ihm das Leben sehr schwer machen konnte. Was, wenn der Fremde auf ihrer mehrere hundert Meilen weiten Reise ständig so schlecht gelaunt war? Dieser Junge mochte am Ende noch schlimmer sein als die Frau von vergangenen Jahr. Er sah Brid an und las in ihrer säuerlichen Miene, dass sie das Gleiche dachte.
    Inzwischen hatten Clennen und Flind die Ladeklappe hinten am Wagen heruntergelassen und hievten den großen Krug hoch. Sein Gewicht bereitete ihnen einige Mühe, und als das Gefäß endlich im Wagen stand,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher