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Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)

Titel: Jonathan Harkan und das Herz des Lazarus (German Edition)
Autoren: Dirk Ahner
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seine berühmt-berüchtigten Reisesouvenirs verbrannt.
    Sie verließen das Herrenhaus der Burg und gingen über den Hof zur Burgkapelle, die sich windschief und halb verfallen an die Ringmauern schmiegte. Cassius schob die widerspenstige Tür auf und gab den Weg ins Innere frei.
    »Seit langer Zeit wurde keine Passage mehr für einen gewöhnlichen Menschen geöffnet«, sagte Cassius. Als er Jonathans Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Ich meine, einen Menschen, der kein Mitglied des Großen Kreises ist. Erst wenn du den Schwur geleistet hast, darfst du die Passagen benutzen. Aber für dich haben die großen Häuptlinge eine Ausnahme gemacht.«
    Wieder einmal hatte Jonathan keine Ahnung, wovon die Rede war. »Eine Passage?«
    Cassius antwortete nicht und betrat die Kapelle. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe wanderte über verfallene Bänke hin zu einer kleinen Tür an der Wand. Sie war aus wurmstichigem Holz und so niedrig, dass man sich den Kopf an ihr stoßen konnte. Er spreizte die Finger und legte eine Hand auf die Tür.
    »Cassius …«, sagte Jonathan leise. »Was ist eine Passage?«
    Mit einem kräftigen Ruck stieß sein Onkel die Tür auf. »Komm schnell.«
    Jonathan überschritt die Schwelle und sah schimmerndes Metall im Türrahmen, das plötzlich weich und dehnbar geworden war. Es schien zu erkalten, denn das Licht erlosch bereits, und als die Tür hinter ihnen wieder ins Schloss fiel, verfestigte es sich zu seiner ursprünglichen Form und umschloss den Durchgang.
    »Silber mit Gedächtnis«, sagte Cassius, der Jonathans verstörten Blick bemerkte. »Es verändert seine Form, wenn ich mich mit meinem Eyn nähere, und gibt die Tür frei. Ein Geschenk von Freunden. Ein recht passabler Tresor, was?«
    »Ein Tresor für was?«
    »Das hier!«
    Auf dem Boden vor ihnen lag eine Kiste aus Holz. Sie war der einzige Gegenstand in dem sonst völlig kargen, feuchtkalten und fensterlosen Gewölberaum. Jonathan betrachtete sie von allen Seiten. Cassius öffnete den Deckel und zog einen Quader hervor, der etwa so groß wie der Kopf eines Kindes war. Das, was Jonathan im Licht der flackernden Taschenlampe irrtümlich für Ornamente gehalten hatte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als ein kompliziertes, mechanisches Innenleben. Nahezu lautlos drehten sich Zahnräder, wippten winzige Federn hin und her, wirbelten Zapfen um die eigene Achse. Das gesamte Gebilde schien von pulsierendem Leben erfüllt. Ein mechanisches Herz, das niemals aufhörte zu schlagen. Cassius’ Stimme klang fast ehrfürchtig, als er sprach.
    »Im Dschungel des Amazonas gibt es noch immer Gegenden, in denen Menschen leben, die weder Strom oder Fernsehen noch fließendes Wasser kennen. Was glaubst du, würden die denken, wenn du ihnen eine elektrische Taschenlampe zeigst?«
    »Magie«, hauchte Jonathan, der vor lauter Staunen glatt vergessen hatte, zu atmen.
    Cassius nickte. »Dabei sind sie nur Zeuge einer Technik, die sie nicht verstehen. Ob du es glaubst oder nicht: Es gibt Völker, für die wir – du, ich, dein Vater, die ganze Menschheit – ebenso unwissend sind wie jene Ureinwohner im Dschungel. Wir stehen vor den Dingen und staunen wie Kinder, weil wir nicht verstehen, was wir sehen. Weil wir Zeuge von Errungenschaften werden, die viel älter sind als wir.«
    Jonathan wollte etwas sagen, doch sein Onkel schnitt ihm das Wort ab. »Ich weiß, dass du viele Frage hast. Ein paar davon kann ich dir beantworten, andere nicht. Ich bin selbst nur ein Mensch, Jonathan. Ich weiß nicht, warum diese Dinge funktionieren. Aber ich kann dir zeigen, wie sie funktionieren. Und jetzt leg deine Hände auf den Passagenschlüssel.«
    Jonathan sah ihn fragend an.
    »Ich meine den Quader. Keine Angst, er beißt nicht.«
    Vorsichtig streckte Jonathan seine Hände aus. Der Würfel fühlte sich metallisch kalt und rau an, mit scharfkantigen Rändern. Cassius suchte ein goldglänzendes Rädchen und zog es auf. Ein leises Klicken war zu hören, und der Würfel vibrierte so stark, dass Jonathan die Hände unweigerlich zurückziehen wollte. Sein Onkel packte sie und hielt sie fest.
    »Nicht loslassen!«
    Er berührte eine Vertiefung und schob ein Rädchen von links nach rechts. Dann zerfiel die Welt um sie herum in ihre Einzelteile. Alle Dimensionen verloren ihre Bedeutung, verzerrten und zerstreuten sich. Steine schienen aus der Mauer zu fallen und in einen lichtlosen Schlund gesaugt zu werden – bis sie sich mit der Wucht eines Blitzschlags neu zusammensetzten.
    Es
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