Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt

Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt

Titel: Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Blättern und harter Krume zu durchbrechen. Er ging in die Knie und versuchte, sein ganzes Gewicht auf die kleine Schaufel zu stemmen. Dann gelang es ihm, die ersten kleinen Stückchen der Grasnarbe zu lösen und ein kleines Loch zu graben.
    Levine hatte das Ende der Leine an einen Baumschössling gebunden. Dadurch konnte er den Taser in der linken Hand halten und von Zeit zu Zeit gegen die Leine tippen. Dann keuchte Kurtz auf und fiel auf die Seite, wenn sich seine Muskeln verkrampften. Anschließend rappelte er sich wortlos wieder hoch und grub weiter. Er zitterte jetzt so heftig vor Kälte, dass er sich nicht vorstellen konnte, die Schaufel noch viel länger zu halten. Wenigstens verschaffte ihm die körperliche Arbeit noch ein Quäntchen Restwärme.
    Eine halbe Stunde später hatte Kurtz eine Grube ausgehoben, die etwa einen Meter lang und knapp 80 Zentimeter tief war. Er war auf Wurzeln und Steine gestoßen, aber auf nichts anderes.
    »Ich habe genug von dieser Scheiße hier«, schimpfte Manny. »Ich friere mir die Eier ab. Lass die Schaufel fallen.« Er zielte mit der Magnum auf Kurtz’ Kopf.
    »B-B-Beerdigung«, brachte der mit klappernden Zähnen hervor.
    »Scheiß drauf. Sammy wird das schon verstehen. Lass die verschissene Schaufel so fallen, dass du nicht mehr drankommst.« Er spannte den gewaltigen doppelläufigen Revolver.
    Kurtz ließ die kleine Schaufel gegen den Rand des Grabens donnern. »W-w-warte mal«, zitterte er. »Da i-i-ist w-w-was.«
    Levine kam näher, damit die Grubenlampe den Graben ausleuchtete, aber er ging kein Risiko ein und hielt mindestens zwei Meter Abstand zu der Stelle, an der Kurtz hockte. Die Schaufel lag außerhalb von Kurtz’ Reichweite. Der Schnee fiel jetzt dicht genug, um auf den Blättern und der schwarzen Erde liegen zu bleiben.
    Eine Beule aus schwarzem Plastik lugte aus der dunklen Erde.
    »Warte, warte«, keuchte Kurtz, krabbelte in den Graben hinunter und schaufelte mit bebenden Händen Erde und Blätter weg.
    Selbst in dieser kalten Nacht, nach fast zwölf Jahren, stieg ein schwacher, erdiger Verwesungsgeruch aus dem Graben auf. Manny Levine trat einen halben Schritt zurück. Sein Gesicht war wutverzerrt, der Hahn der Ruger noch immer gespannt, die Mündung auf Kurtz’ Schädel gerichtet.
    Kurtz legte den Kopf, die Schultern und den Brustkorb einer vage menschlichen Gestalt frei, die in eine schwarze Bauplane eingewickelt vor ihm lag.
    »Schön«, knirschte Levine durch zusammengebissene Zähne. »Deine Aufgabe ist erledigt, Arschloch.«
    Kurtz sah auf. Er war mit Schmutz und eigenem Blut bedeckt und zitterte so heftig, dass er sich zu einer klaren Artikulation zwingen musste. »V-v-vielleicht i-i-ist es j-ja gar nicht S-S-S-S-Sammy.«
    »Was soll der Scheiß? Wie viele Leichen hast du hier denn noch verbuddelt?«
    »V-v-vielleicht ist er es«, entgegnete Kurtz mit klappernden Zähnen. Ohne um Erlaubnis zu fragen, beugte er sich hinunter und begann, das Plastik vom Gesicht der Gestalt abzuwickeln.
    Die zwölf Jahre waren mit Sammy nicht gerade freundlich umgegangen – seine Augen waren verschwunden, Haut und Muskeln hatten sich in schwärzliches Leder verwandelt, die Lippen waren weit über die Zähne geschrumpft und gefrorene Maden bevölkerten die Stelle, an der früher seine Zunge gewesen war – aber Kurtz erkannte ihn wieder und ging davon aus, dass es Manny ähnlich ging. Kurtz’ linke Hand pulte weiter das schwarze Plastik um den Schädel frei, während seine rechte weiter nach unten vorstieß und das verrottete Material um die Brust herum freilegte.
    »Das reicht«, sagte Manny Levine. Er kam einen Schritt näher und zielte mit der Ruger auf Kurtz. »Was soll das?«
    »Da ist Geld«, sagte Kurtz.
    Levines Finger hielten den Abzug noch umklammert, aber er senkte den Lauf der Ruger leicht und linste in das Grab hinunter.
    Kurtz’ rechte Hand hatte die blaue Stahlschachtel, die er auf Sammys Brust zurückgelassen hatte, gefunden und geöffnet. Jetzt zog er das nach wie vor in Öllappen gewickelte Bündel heraus, bediente den Magazinauslöseknopf mit seinem Daumen und betätigte fünfmal den Abzug seiner alten Beretta.
    Die Waffe funktionierte noch tadellos.
    Manny Levine wurde herumgewirbelt, die Magnum und der Taser flogen in die Dunkelheit davon und der Zwerg ging zu Boden. Seine Stirnlampe beleuchtete gefrorene Blätter auf dem Waldboden. Gänsefedern aus seiner Daunenweste segelten durch die kalte Nachtluft.
    Immer noch mit der eingewickelten Beretta
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher