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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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roch nach altem Holz und gutem Wein, aber auch weniger erquicklichen Dingen. Am anderen Ende der Zelle stieß sie auf die angeketteten Engländer. Sie blieb stehen, um sich mit den Händen auch von ihnen ein Bild zu verschaffen.
    Der auf dem Boden liegende Mann war jung, jünger als sie selbst. Siebzehn? Achtzehn? Er hatte den Körper eines Akrobaten; diese schmächtigen, kompakt gebauten Kerle. Er war verwundet. Sie konnte noch das Schießpulver und die infizierte Wunde riechen. Jede Wette, dass das Geschoss noch steckte. Als sie sein Gesicht ertastete, begegnete sie trockenen, rissigen Lippen und glühender Hitze. Er hatte hohes Fieber.
    Eine tadellose Kette fesselte ihn an die Wand, doch das große Vorhängeschloss war alt. Käme es zur Flucht, müsste es geknackt werden. Sie untersuchte seine Stiefel und Kleidersäume, nur für den Fall, dass Leblancs Männer irgendetwas Kleines, Nützliches übersehen haben sollten. Natürlich fand sie nichts, aber man musste wenigstens nachschauen.
    »Schön … «, murmelte er, als ihre Hände über seinen Körper glitten. »Später, Schätzchen. Bin zu müde … « Das war wohl doch kein so kleiner Junge mehr. Er sprach englisch. Vielleicht gab es einen harmlosen Grund, warum sich ein Engländer in Frankreich aufhielt, in einer Zeit, wo ihre Länder genau genommen noch nicht im Krieg waren. Aber irgendwie stimmte sie mit Leblanc überein. Das hier war ein Spion. »Hundemüde.« Dann bat er mit plötzlich klarer, deutlicher Stimme: »Erzählt Lazarus, dass ich das nicht mehr mache. Nie wieder. Sagt es ihm!«
    »Wir reden noch darüber«, antwortete sie leise, »später.« Ein schwer einzuhaltendes Versprechen, da sie nicht davon ausging, noch besonders oft Gelegenheit dazu zu haben. Wenn auch vielleicht öfter als dieser Junge.
    Er versuchte sich aufzusetzen. »Ritter der Königin, Nummer drei. Ich muss fort. Sie warten darauf, dass ich den Roten Ritter überbringe.« Er plapperte aus, was er besser für sich behalten sollte. Und er würde sich verletzen, wenn er weiter so um sich schlug. Daher drückte sie ihn behutsam zurück.
    Starke Arme kamen ihr zu Hilfe. »Ganz ruhig. Das ist schon erledigt«, beschwichtigte der andere Mann, während er den Jungen stützte.
    Er hätte sich nicht zu sorgen brauchen. Solche Geheimnisse interessierten sie nicht mehr. Tatsächlich wäre es ihr sogar lieber, sie gar nicht erst zu hören.
    »Sag es den anderen!«
    »Das werde ich. Sie sind alle in Sicherheit. Ruh dich jetzt aus.«
    Im Fieberwahn hatte der Junge den Wasserkrug umgeworfen. Ihre Finger fanden ihn auf der Seite liegend … leer. Kein einziger Tropfen war mehr darin. Der Gedanke an Wasser peinigte ihren Mund wie Nadelstiche, so durstig war sie.
    Nichts war schlimmer als Durst. Weder Hunger noch Schmerz. Vielleicht war es sogar gut, dass es kein Wasser gab, das sie auf die Probe gestellt hätte. Ob sie wohl sonst zum Tier geworden und es diesen Männern gestohlen hätte, die noch schlimmer dran waren als sie? Es war besser, nicht zu wissen, wie tief sie vielleicht gesunken war. »Wann habt Ihr das letzte Mal Wasser bekommen?«
    »Vor zwei Tagen.«
    »Dann gilt es, keine Zeit zu verlieren. Leblanc wird mir mein Leben noch ein Weilchen lassen, weil er hofft, ich könnte ihm noch nützlich sein, und um mit mir zu spielen.« Am Ende bringt er mich doch um. Selbst wenn ich ihm die Albion-Pläne gebe – jedes Wort, jede Karte, jede Liste –, umbringen wird er mich trotzdem. Ich weiß, was er in Brügge getan hat. Er kann mich nicht am Leben lassen.
    »Seine Gewohnheiten sind kein Geheimnis.«
    Er besaß Größe, der englische Spion mit der tiefen Stimme und der eisernen Härte. Sie spürte seine gewaltige Erscheinung, noch ehe sie ihn berührt hatte. Ihre Hände lieferten ihr weitere Einzelheiten. Dieser stattliche Mann hatte dem Jungen seinen zusammengefalteten Mantel untergelegt und nahm damit noch mehr Unannehmlichkeiten in Kauf, um seinen Freund vor der Kälte des Bodens zu schützen. Diese kleine Geste war Ausdruck einer sehr britischen Entschlossenheit. Sie spürte seinen gewaltigen Beschützerinstinkt, als ob Wille allein genügte, den Jungen am Leben zu erhalten. Es musste schon ein Held sein, der zu sterben wagte, wenn dieser Mann es ihm verbot.
    Zögerlich streckte sie die Hand aus und stieß auf weiches Leinen und lang gestreckte, kräftige Brustmuskeln und dort, wo sein Hemd den Hals freigab, auf eine beunruhigend männliche, geschmeidige Haut. Sie wollte ihre Hand
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