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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13
Autoren: Michael Ende
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gar nicht mehr
gedacht.“
    „Tja“, brummte Lukas und paffte
nachdenklich, „das ist der Punkt. Aber von hier aus können wir die Sache nicht
entscheiden. Ich denke, wir fahren erst mal soweit wir kommen. Dann müssen wir
eben sehen, was wir machen. Irgendwie wird es schon gehen.“
    „Ja“, pflichtete Jim bei, „ich glaub’
auch.“
    Schweigend sahen sie zu, wie der
Vollmond aufging und das ganze Meer mit seinem Silberlicht übergoß. Zarte
Nebelschleier lagen über den Wellen, leicht vom Wind dahingetrieben und in
seltsamen, immer wechselnden Figuren auf und ab webend.
    „Guten Tag!“ sagte plötzlich ein zartes
Sümmchen, das sich anhörte wie ein zärtliches Wellengeplätscher, „oder vielmehr
,Gute Nacht’, das paßt im Augenblick wohl besser.“
    Lukas und Jim blickten verwundert
umher, konnten aber niemand entdecken. Deshalb fragte Lukas:
    „Wer ist denn da? Wir können gar niemand
sehen.“
    „Aber hier bin ich doch“, rief das
Stimmchen ganz nahe, „schaut her, ich winke euch mit der Hand.“
    Die beiden Freunde strengten ihre Augen
an und suchten mit ihren Blicken aufmerksam das Wasser ab. Plötzlich sah Jim
eine kleine Hand aus den Wellen winken und zeigte Lukas die Stelle. Und nun
sahen sie beide ganz deutlich ein zierliches kleines Mädchen, ungefähr so groß
wie Jims Arm. Es hatte ein hübsches Gesicht, nur waren die Augen ein bißchen
allzugroß, der Mund ein bißchen allzubreit und das Näschen ein bißchen allzu
aufgestülpt, was ihr einen etwas fischähnlichen Ausdruck verlieh. Ihre
silbernen Haare standen grasartig vom Kopf ab, und überdies hatte das kleine
Geschöpf von der Hüfte abwärts einen Fischschwanz. Das Sonderbarste aber war,
daß diese Seejungfrau (denn das es sich um eine solche handelte, war den beiden
Reisenden sofort klar) beinahe ganz durchsichtig war. Ihr Körperchen sah aus,
als wäre es ganz und gar aus grüner Götterspeise. Darum war sie vom Wasser nur
sehr schwer zu unterscheiden.

    „Gute Nacht“, sagte Lukas freundlich,
„was haben Sie da für einen reizenden Fischschwanz, kleine Dame?“
    „Gefällt er Ihnen?“ fragte die
Seejungfrau geschmeichelt.
    „Und ob!“ antwortete Lukas höflich. „Es
ist wahrhaftig der hübscheste Fischschwanz, den ich je bei einem jungen
Fräulein gesehen habe.“
    Die Seejungfrau ließ ein helles,
plätscherndes Lachen hören, das genauso klang wie das Gluckern der kleinen
Wellen am Strand von Lummerland. Dann erkundigte sie sich neugierig:
    „Wo fahrt ihr denn hin, wenn man fragen
darf? Seid ihr vielleicht zwei arme Schiffbrüchige?“
    „O nein, kleine Dame“, erwiderte Lukas
schmunzelnd, „wir machen eine große Reise nach Mandala und noch weiter.“
    „Ach so“, sagte die Seejungfrau, „aber
was habt ihr denn da für ein sonderbares Schiff, wenn man fragen darf?“
    „Dieses Schiff hier“, gab Lukas zurück
und paffte kleine Wölkchen, „heißt Emma und ist eigentlich gar kein Schiff.“
    „Und das kleine Schiff, das hinter uns
herschwimmt“, fügte Jim hinzu, „heißt Molly und is’ eigentlich auch kein
Schiff.“
    „Das verstehe ich leider nicht“,
antwortete die Seejungfrau etwas verwirrt, „was sind denn das für Schiffe, die
eigentlich gar keine Schiffe sind? Dergleichen habe ich noch nie gesehen.“
    „Diese Schiffe, die eigentlich gar
keine Schiffe sind“, erklärte Lukas und zwinkerte Jim zu, „sind nämlich
Lokomotiven.“
    „Ach so“, sagte die Seejungfrau, „es
sind Volomo... es sind Molovi... wie habt ihr eben gesagt?“
    „Lokomotiven!“ wiederholte Jim.
    „Ja, bitte“, erkundigte sich die
Seejungfrau und kam neugierig noch etwas näher, „was ist denn aber eine
Tolomokive, wenn man fragen darf?“
    „Sie dürfen durchaus fragen, kleine
Dame“, versicherte Lukas freundlich, „also, eine Lokomotive ist etwas, das
Räder hat und auf dem Land herumfährt, und zwar mit Dampf und Feuer, verstehen
Sie?“
    „O ja“, meinte die Seejungfrau erfreut,
„also ist so eine Mikolo... ich meine, eine Votikolodingsda so eine Art
Dampfschiff, nur eben fürs Trockene?“
    „Nicht übel“, gab Lukas zu und paffte
belustigt, „so könnte man schon sagen. Sie sind ja ganz außerordentlich
gescheit, kleine Dame.“
    Das Meermädchen lachte wieder
geschmeichelt und sagte dann: „Also ist dieses Schiff, das eigentlich gar kein
Schiff ist, doch eine Art Schiff!“
    Und sie freute sich und klatschte in
die Hände. Die Meerbewohner sehen die Welt nämlich ein bißchen
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