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Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Titel: Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
Autoren: Malte Leyhausen
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gar nicht möglich, die Zeit zu planen, denn es kommt sowieso immer
     anders.« Wozu soll man zudem etwas organisieren, von dem niemand weiß, was es genau ist? Wenn wir bei Google das Wort »Zeit« eingeben, erhalten wir über
     11 Millionen Einträge. Gut, wenn Sie die alle gelesen haben, dann wissen Sie, was Zeit ist …
    Und die Definitionen, die man dort findet, können sich auch nicht einigen. Die einen sagen: »Die Zeit läuft uns davon, damit wir sie nicht totschlagen können.«
    Die anderen sagen: »Spare in der Not, dann hast du Zeit dazu.« (Das könnte auch von unserem Finanzminister stammen.)
    Ein weit verbreiteter Irrtum ist auch die billige Formel: Zeit ist Geld. Wenn Zeit wirklich Geld wäre, würden wir nicht so verschwenderisch damit
     umgehen. Es wird uns zwar ständig Zeit gestohlen, als wäre sie eine Banknote, aber auf die hohe Kante legen können wir die Zeit nicht. Es müsste eher
     heißen »Zeit ist Gold«. Denn Zeit lässt sich genau so wenig vermehrenwie das seltene Edelmetall. Wer jeden Tag eine Stunde Zeit spart,
     hat nach einer Woche nicht sieben Stunden mehr.
    Bei den Philosophen gibt es so viele Meinungen über die Zeit wie Bahnhofsuhren. Augustinus enthüllt, die Zeit ist nur eine Momentaufnahme: Die
     Vergangenheit gibt es nicht, denn sie ist schon vorbei. Die Zukunft gibt es nicht, denn sie kommt erst noch. Deshalb gibt es nur das Hier und Jetzt.
    Und jetzt kommen wir Aufschieber ins Spiel: Denn wir sind die einzigen, die die aufgeschobene Arbeit aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt retten
     und sie sogar noch mit in die Zukunft nehmen.
    Buddha hat das schon viel früher erkannt. Als er merkte, dass man seine vielen Aufgaben in einem Leben gar nicht schaffen kann, hat er das Spielfeld
     einfach erweitert: Was ich in diesem Leben nicht erledige, verschiebe ich auf das nächste.
    In der Physik brachte Albert Einstein die vorherrschende Vorstellung von Zeit aus dem Takt. Wenn wir uns eines Tages schneller als das Licht durch den
     Raum bewegen könnten, wäre eine wichtige Voraussetzung für den Bau einer Zeitmaschine geschaffen. Wir würden endlich in die Vergangenheit reisen, um zum
     Beispiel William Shakespeare zu fragen, ob alle ihm zugeschriebenen Werke denn tatsächlich auch von ihm seien. Den Ausgang dieses Experiments darf ich
     Ihnen heute schon verraten.
    Wir würden Shakespeare als klassischen Aufschieber outen, der noch keine Silbe zu Papier gebracht hat. Dankbar würde er sich seine vermeintlichen Werke
     zeigen lassen und ausrufen: »Hurra! Ich habe diese Texte zwar noch nie gesehen, aber sie sind so gut! Ich schreibe sie gerade mal ab!«
    So hätten wir zumindest im Nachhinein dafür gesorgt, dass Shakespeare seine Werke mindestens abgeschrieben hat.
    Zeitlose Ratlosigkeit über die Zeit, bis der Arzt kommt. Die »Zeitmediziner« beschäftigen sich damit, zu welcher Tageszeitder Mensch
     am besten funktioniert. Die haben beispielsweise herausgefunden, dass man morgens um Acht das schönste Liebesleben hat. (Wenn ich von Ihnen keine E-Mail
     bekomme, gehe ich davon aus, dass Sie dies bestätigen können.) Vormittags ist man am fittesten für Prüfungen und nachmittags um Drei ist der Mensch am
     Schmerz freisten. Deshalb hat man nachmittags um Drei entweder einen Zahnarztbesuch oder ein Gespräch mit dem Chef …
    Was lernen wir aus diesen Erklärungsversuchen? Die Vorstellung von der Zeit ist ein Selbstbetrug. Ob philosophisch, physikalisch oder
     medizinisch. Diesen Selbstbetrug demonstrieren besonders Leute, die ihre Uhr absichtlich 10 Minuten vorstellen, damit sie pünktlich sind. Wenn Sie solche
     Menschen nach der Uhrzeit fragen, bekommen Sie keine Auskunft, sondern eine Textaufgabe:
    »Also meine Armbanduhr geht 10 Minuten vor, dafür geht meine Uhr im Wohnmobil 10 Minuten nach, und wenn ich das dann mit meiner Uhr auf dem
     Schreibtisch subtrahiere, dann stimmt es wieder.«
    Wissen Sie, was ich zu solchen Leuten sage? »Meine Uhr geht exakt 24 Stunden vor, da weiß ich nicht nur genau wie spät es ist, sondern habe sogar noch
     einen ganzen Tag gewonnen!«
    Wenn sich die Wissenschaft schon nicht auf einen Zeitbegriff einigen kann, so gibt es zumindest Grundeigenschaften, die der Zeit mit der Zeit
     zugeschrieben wurden. Schon seit der Antike wird die Zeit an den Bewegungen in der Natur gemessen. Am Lauf der Sonne, am Wandern der Gestirne und am
     wilden Aufspringen beim Empfang der Heizkostenrechnung. Wenn sich nichts mehr bewegt, dann bleibt die Zeit
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