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Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab

Titel: Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
Autoren: Malte Leyhausen
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würde bei einem Misserfolg der ganze Selbstwert
     flöten gehen.
    Das Ich löst dieses Dilemma durch (vorübergehend) erholsames Aufschieben. Und schafft auf allen Seiten eine Verlierer-Situation. Das Über-Ich darf
     keine weiteren Orden sammeln. Das Es darf nicht mal auf eine After-Work-Party hoffen, denn es gibt kein Work. Und das Ich hat sich wiedereinmal resignierend bestätigt, dass es nicht Herr im eigenen Hause ist.
    Kommen wir zurück zu den frühkindlichen Konflikten. Werden diese nicht – spätestens in einer mehrjährigen Psychoanalyse – gelöst, ist das Ich
     geschwächt. Schließlich steht es fortwährend in der Schusslinie zwischen Kopf und Bauch.
     
    Die Spielverderber unter den Ursachenforschern für das Aufschieben sind die systemischen Konstruktivisten. Auch Systemiker
     genannt. Während die Verhaltensforschung und die Psychoanalyse von einer Menge gesicherter Grundannahmen über den Menschen und die Welt ausgehen, sägen
     die Systemiker an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Sie berauben uns unserer Idee von Wirklichkeit. Und damit berauben sie uns unserer Idee von uns
     selbst. Die Wirklichkeit wird hier ausschließlich zwischen den Menschen konstruiert. In Form von Kommunikation. Zur Konstruktion von Wirklichkeit
     zählen auch die Dialoge, die man laut oder leise mit sich selbst führt. Realität ist nichts anderes als eine flexible Absprache von Menschen über
     Realität. So wie es eine flexible Absprache ist, dass eine bestimmte Sorte bedrucktes Papier einen hochwertigen Geldschein simuliert.
    Diese Auffassung hat für unser Denken und Handeln erdrutschartige Konsequenzen. Mein Ich besteht demnach einzig und allein aus den verinnerlichten
     Erzählungen über mein Ich. Max Frisch brachte es auf die Formel: »Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er, oft unter
     gewaltigen Opfern, für sein Leben hält.«
    Aber welche Konsequenzen hat die konstruktivistische Weltsicht für die Reflexion des eigenen Aufschiebeverhaltens? Wenn alle bisher angenommenen
     Ursachen meines Aufschiebens nur durch subjektive Erzählungen konstruiert wurden, was zwingt mich dann noch, etwas gegen meinen Willen zu vertagen? Warum
     habe ich dennoch dieses Problem?
     
    Eine typische Gegenfrage der systemischen Psychotherapie lautet: Was kann ich tun (oder lassen), um das
     Problem herzustellen? Die Erwartung, vom Systemischen Therapeuten eine Erklärung für sein Aufschieben zu bekommen und die passenden Handlungsanweisungen
     zu erhalten, wird konstruktiv enttäuscht. Vielmehr muss man mit Fragen rechnen, wie sich das Aufschieben denn noch verstärken ließe. Oder was würde man
     tun, wenn heute schon gewiss wäre, dass dieses Problem niemals zu lösen sei?
    Ziel ist es, sich nicht mehr als Opfer des Problems zu begreifen, sondern in die Rolle des Handelnden zu geraten. Auch hier spielen die oft überzogenen
     und deshalb quälenden Ansprüche an sich selbst eine Rolle. Der Psychiater, Psychologe und systemische Therapeut Arnold Retzer erzählt in seinen
     Ausbildungsgruppen bei Gelegenheit ungefähr folgende Geschichte:
    Stellen Sie sich eine Heizung vor, die eine Leistung von 20° C abliefert. Jetzt ist aber der Anspruch, dass diese Heizung 40° C Temperatur spenden
soll. Das Heizsystem wird voll aufgedreht, der Heizkessel wird auf höchste Touren gebracht und man versucht, alles an Leistung raus zu holen, um die
vorgegebenen 40° C zu erreichen. Jetzt muss man aber damit rechnen, dass die Heizung, aufgrund der massiven Anstrengungen, kaputt geht.
    Wie sieht es bei Ihnen aus? Möchten Sie das Risiko eingehen, an Ihren Anstrengungen (oder am zermürbenden Aufschieben) kaputt zu gehen, oder könnte es
     für Sie sinnvoll sein, Ihren Anspruch an sich selbst auf ein realistisches Maß herunter zu schrauben?

Acht Wege, um besser aufzuschieben
Denke nicht darüber nach, was Zeit überhaupt ist
    Decarpe diem – Zerpflücke den Tag!
     
    Das Schöne an der Zeit ist, dass wir uns nicht mit ihr beschäftigen müssen, weil sie von alleine vergeht. Ob wir nun darauf warten,
     dass die Stunden verfliegen, oder nicht, das Ergebnis ist dasselbe.
    Der Mensch hat noch nicht einmal ein Wahrnehmungsorgan für die Zeit. Wenn Sie mir jetzt Ihre Innere Uhr entgegen halten, dazu nur so viel. Wer je
     versucht hat, mit der Inneren Uhr einen Kuchen zu backen, der hat sich erst schwarz geärgert und dann verkrümelt.
    Auf meinen Uni-Seminaren bekomme ich von den Studierenden oft die Antwort: »Es ist
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