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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas
Autoren: DBC Pierre
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Lasalle, der verfluchte Axtmörder.«
    Als ich an diesem Abend wach auf meiner Pritsche liege, brummt aus den Fernsehern im Trakt Lasalles Hinrichtung. Ich rechne damit, Taylors Stimme zu hören, aber einer der Insassen meint, sie hat die Show verlassen und versucht sich als fliegende Reporterin. Ich schätze, die Kontakte dazu hat sie mittlerweile - jetzt braucht sie nur noch die eine große Story. Wie auch immer, wir bekommen nur noch eine Stunde von der Sendung mit. Lasalle gibt keine letzte Erklärung ab, was ziemlich cool ist, irgendwie. Als letztes Lied hat er sich »I've Got You under my Skin« ausgesucht. Was für ein Typ.
    Der Blick auf die Zellendecke wird mir im Laufe der Woche vertraut - ich lieg sogar auf dem Rücken, während ich unter einem Handtuch verborgen an meinem Kunstprojekt arbeite. Die Unterhaltungsgerätschaften verschwinden erneut, direkt nach Lasalles Ereignis, und ich laß mir seine letzten Äußerungen durch den Kopf gehen. Das klang alles viel zu einfach, wie aus einem Fernsehfilm oder so, wie irgendwas x-beliebiges, das man mit Geigenmusik unterlegen könnte. Trotzdem - es bringt mich dazu, über mein blödes, verschwendetes Leben nachzudenken. Ich hab zwar Talente, aber es sind solche, für die's noch nicht mal ein Jobprofil gibt. Und wißt ihr, was das Tragische ist? Ich hätte dort als Staatsanwalt vor den Geschworenen stehen sollen oder sogar als Brian Dennehy. Ich bin es, der all diese Dinge spürt, bei Leuten und in Situationen und so weiter. Klar, ich bin nicht der Beste in der Schule oder super im Sport oder keine Ahnung was, aber diese Talente habe ich, die hab ich ganz sicher. Ab er ich nehm an, ihr Paradickmann ist einfach größer als meiner, oder sie haben ihn besser positioniert, auf jeden Fall kommt unter dem Strich heraus, daß sie durchkommen und ich nicht. Der Kassensturz der Macht. Eine Erkenntnis noch: Mein großer Fehler ist die Angst. In einer Welt, in der von einem erwartet wird, daß man irre ist, hab ich einfach nicht laut genug gebrüllt, um voranzukommen. Es war mir zu peinlich, Gott zu spielen.
    Schau dir jedes beliebige Tier an, hat Lasalle gesagt. Gib ihnen, wonach sie verlangen, und schau dir jedes beliebige Tier an. Das mit dem Geben verstehe ich, aber ich grüble mich durch etliche Nächte bis zu den Iden des März und überlebe zwei, dann drei weitere Hinrichtungsabstimmungen, ohne das Tierrätsel zu knacken. Bis ich am Ende sogar diese nutzlosen braunen Motten beobachte, die verloren und desorientiert gegen die Lampe in meiner Zelle bumsen, filzige Schiefer, die jemand aus der Nacht gezogen und hier hineingeworfen hat. Ich geh mal davon aus, daß das Tiere sind. Normalerweise sind sie darauf programmiert, geradeaus zu fliegen, hab ich mal gehört; sie werden vom Mond gesteuert. Aber diese Supermarktbeleuchtung überall vermasselt ihre Navigation, und jetzt schaut euch an, was aus ihnen geworden ist. Ich beobachte, wie sich eine Motte im Käfig der Lampe verfängt und mit den Flügeln Staubwölkchen aufwühlt, bis sie schließlich, »thp«, verbraucht zum Boden taumelt, während das Licht ungerührt weitersurrt. Soviel zum Mond. Ich kann mich in Motten einfühlen, Mann.
    Dann beginnen Phantasietiere meine Träume zu infizieren, Stoff spaniels, die mit Jesus herumbalgen, doch bei Tag versuche ich weiter, hinter den Sinn von Lasalles Konzept zu kommen. Das einzige Tier, das ich kenne, ist Kurt der Hund, und ich bin mir nicht sicher, ob der zählt, wenn es um das Geheimnis von allem geht. Ol' Kurt, der sich selber in den Wahnsinn treibt, wenn's nebenan nach Barbecue riecht, der sein Selbstwertgefühl dadurch aufmotzt, daß er Präsident der Kläfferrunde ist, der aber von gar nichts Präsident wäre, wenn die Runde wüßte, was für ein mickriger Köter er ist. Auslachen und aus der Stadt treiben würden sie ihn, wenn sie's wüßten, soviel steht fest. Aber sie wissen es nicht.
    Ich setze mich auf meiner Pritsche auf. Kurt kommt mit dem Bellen eines viel größeren Hundes durch.
fünfundzwanzig
    »Jetzt sag mal, Vernon, benutzt du auch täglich die Toilette?«
    »Ma, bitte.«
    »Es ist nur so, daß du diese Woche gegen den netten Krüppel aufgestellt bist, der angeblich seine Eltern getötet hat. Und er weint die ganze Zeit. Die ganze Zeit.«
    »Willst du mir sagen, daß ich schuldig aussehe?«
    »Na ja, im Fernsehen liegst du immer nur da und starrst an die Decke. Vernon, manchmal bist du einfach so teilnahmslos.«
    »Weil ich nichts gemacht
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