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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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New York wollte, nein, das nicht, New York ist mir viel zu groß und zu gefährlich, Venedig hätte mir schon gereicht.
    Aber Manni wollte nicht verreisen. Nie!
    Er sagte immer: „Ich gebe nicht mein sauer verdientes Geld aus, um irgendwo ins Ausland zu fahren, wo mich kein Mensch versteht, wo ich nicht mal fernsehen oder eine Zeitung lesen kann, weil alles auf ausländisch ist, wo es Essen gibt, das ich nicht vertrage, und wo ich von Getränken, die ich nicht kenne, Dünnpfiff kriege. Ich habe keine Lust, schwitzend in der Hitze mit zehntausend Fremden an einem überfüllten Strand zu sitzen. Da hast du ständig Sand im Getriebe und siehst aus wie paniert und musst deswegen neben schweißtriefenden Menschen in lauwarmer, salziger Meerbrühe baden. Mit mir nicht“, hat Manni immer gesagt, „nicht mit mir!“
    Aber ich bekam Fernweh, wenn Udo Jürgens dieses Lied von New York sang, und auch dafür hatte Manni wenig Verständnis. Er sang dann immer mit, betont schräg: „Ich war noch niemals im Bordell …“
    Dabei stimmt das gar nicht. Er war sehr wohl schon mal in einem Bordell, ich war nämlich dabei. Jedenfalls das eine Mal. Das kam so:
    Wir waren mit Conny und ihrem damaligen „Bekannten“,so nennt sie ihre jeweiligen Lebensabschnittsgefährten, unterwegs. Dieser „Bekannte“ hieß Hanjo. Wir machten den Kneipenbummel klassisch: erst zum Jugoslawen „Adriateller“ essen, Kruschkowatz trinken und anschließend von Kneipe zu Kneipe ziehen und überall drei Pils trinken.
    An diesem Abend waren wir alle gut in Form und konnten viel vertragen. Manni sagte immer, er hätte mindestens drei Atü aufm Kessel, aber bevor es draußen hell würde, ginge er noch lange nicht nach Hause. Leider machte um zwei die letzte Kneipe zu, und bis zum Sonnenaufgang dauerte es noch etwa fünf Stunden.
    Hanjo war Taxifahrer. Er kannte sich aus.
    „Ich weiß, wo wir noch was trinken können“, hatte er gesagt und uns ins „Café Paris“ geführt. Das war aber gar kein Café. Das war ein Bordell. In meinem angesäuselten Zustand fand ich es sehr witzig, im Puff einen Absacker zu trinken. Der Türsteher sah aus wie Meister Propper und ließ uns sofort rein. Hanjo erklärte, dass er ein paar der Mädchen täglich fahren würde und dass er, wie alle Taxifahrer, deswegen hier bekannt sei. Wer das glaubt, wird selig.
    Es war ziemlich dunkel im „Café Paris“, und es roch nach Bier und nach Kaffee, der zu lange auf der Warmhalteplatte steht. Ein paar Mädchen saßen an der Theke, rauchten und guckten ins Leere, andere standen lachend mit Männern rum, die ihnen den halb nackten Poppes tätschelten.
    Im Hintergrund lief leise Musik, Kuschelrock, die LP kannte ich, ich hatte sie nämlich auch zu Hause. Wir setzten uns an die Theke, sie war L-förmig, genau wie im „Sachsenkrug“,und Manni, Hanjo und Conny drängelten sich auf die Klüngelbank an der Seite. Ich setzte mich auf den freien Hocker daneben.
    An einem runden Tisch unterhielten sich drei junge Frauen. Sie trugen Reizwäsche. Natürlich, das ist bei denen Berufsbekleidung. Meister Propper schob den schweren Ledervorhang, der vor der Tür hing, zur Seite und ließ zwei Männer rein. Die kannte ich nicht. Davor hatte ich Manschetten, dass da plötzlich der Mann von Eva Hansmeier reinkäme oder unser Nachbar oder so. Ich wollte es doch gar nicht wissen, wer da hinging, um nachts, naja, Kaffee zu trinken.
    Die Frau hinter der Theke stellte den Männern ungefragt zwei Pils und zwei Kurze hin. Wie in einer normalen Wirtschaft.
    Eine Dunkelhaarige mit riesiger Oberweite und ordentlichem Ausschnitt im weißen Mini-Overall kam mit einem Typen im Anzug aus dem hinteren Teil des Raums. Sie hatte sich bei ihm eingehakt und stöckelte auf hohen Hacken mit ihm zur Tür und verabschiedete sich überschwänglich.
    Ich guckte genau hin. Die hatten es grade getan, das war ja klar. Man sah es ihnen aber wirklich nicht an.
    Die Vollbusige kam zurück, setzte sich auf den freien Barhocker neben mir. Sie schlug ihre drallen, glänzend bestrumpften Beine gekonnt übereinander, lächelte mich freundlich an und nickte mit dem Kopf. So eine nette Frau!
    Sie bestellte sich einen Kaffee und einen Mariacron und lächelte wieder. Ich sagte irgendwie automatisch: „Ist viel zutun heute?“
    „Nein, um diese Zeit geht es“, sagte sie und zündete sich eine Zigarette an. Die Frau hatte schwarze Haare, helle Haut und helle Augen. Wie Schneewittchen, dachte ich. Sie war sehr hübsch. Ob sie nach der
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