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Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam

Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam

Titel: Jerry Cotton - 0502 - Der Tag an dem mein Henker kam
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beide.
    »Ich fahre zurück in die Stadt!« verkündete sie entschlossen. Ihre Stimme war angenehm, kräftig und voll. Es erleichterte mich irgendwie, daß sie nur wenig Ähnlichkeit mit der Stimme der unbekannten Anruferin hatte. Nur wenig, dachte ich flüchtig. Was heißt das schon? Man kann seine Stimme am Telefon verändern, und wenn man flüstert, wie es die Anruferin getan hatte, sind Vergleiche so gut wie unmöglich.
    »Ich komme mit«, sagte ich. »Einverstanden?«
    Sie zeigte mir ihre magazinreifen Zähne. »Ist das eine Einladung?«
    »Rundherum. Ich kenne ein kleines italienisches Restaurant, wo die Spaghetti nur fünfzig Cent kosten.«
    »Kann man das essen?«
    Ich lächelte. »Nicht, wenn man etwas von der italienischen Küche versteht, aber sie sind so umwerfend billig.«
    Sie lachte. Das Lachen war voll, kehlig und ansteckend. »Also gut«, nickte sie. »Nach dieser Tortur muß man selbst die miserabelsten Spaghetti noch als Wohltat empfinden.«
    Ich fragte sie, wo sie ihren Wagen abgestellt habe, und nahm zur Kenntnis, daß er mindestens eine halbe Meile von dem Parkplatz entfernt war, wo ich meinen Jaguar rasten ließ. Wir verabredeten uns für ein Uhr in der City, und zwar in einem Lokal, wo selbst eine Prise Salz mehr als fünfzig Cent kostet.
    Ehe wir uns trennten, nahm sie plötzlich mein Gesicht in beide Hände. Sie waren überraschend kühl, was selbst durch den dünnen Stoff der Handschuhe hindurch zu spüren war. Sie schaute mich an, als müsse sie sich meine Züge genau einprägen. In ihren Augen war fast so etwas wie Abschied und Trauer.
    Ich fragte mich, ob sie einen flüchtigen Kuß erwartete, schob den Gedanken aber zur Seite. »Bis nachher«, sagte ich. »Sie werden doch kommen?«
    »Ganz bestimmt«, sagte sie leise. Plötzlich klang ihre Stimme so dunkel und belegt wie die der nächtlichen Anruferin. Quatsch! Ich fing schon an zu spinnen! Das Girl nahm ihre Hände herunter, machte kehrt und drängte sich durch die Menge davon.
    Ich ging zurück zu meinem Flitzer. Beschwingt und beunruhigt zugleich. Ich fand einfach nicht die Kraft, mich für das eine oder das andere Gefühl zu entscheiden. Der Blick aus den grünen Augen war mir unter die Haut gegangen. Ich war fest entschlossen, das Girl wiederzusehen.
    Ich fuhr zurück in die Stadt.
    Etwa zehn Minuten vor ein Uhr tauchte ich vor dem verabredeten Treffpunkt auf. Das Lokal lag in der 21. Straße und nannte ich FISCHETTIS JOINT. Es gab sich betont ländlich und hemdsärmelig. Das war nur ein Trick, um die High Society anzulocken, die nicht jeden Tag bei feierlichem Kerzenschimmer speisen wollte. Küche und Preise waren ohnehin auf zahlungskräftige Kunden abgestimmt.
    Nur wenige Schritte von dem Lokaleingang entfernt drängte sich gut ein Dutzend Menschen zusammen. Sie reckten die Hälse und starrten fasziniert an der Hauswand hoch. Ich ging auf die Gruppe zu, um festzustellen, was es gab. An der Hausfassade, dicht unterhalb eines Fenstergiebels, klebte ein Bienenschwarm. Es war ein seltener Anblick, zumindest hier, in der Innenstadt New Yorks.
    Plötzlich geschah etwas Merkwürdiges. Aus dem dichten summenden und kribbelnden Haufen, der wie eine Traube unter dem Giebel hing, löste sich eine einzelne Biene und flog direkt auf mich zu.
    Ich schlug sie mit der Hand zur Seite.
    Dann kam eine zweite und dritte Biene. Sie nahmen die gleiche Richtung und griffen mich zusammen mit der ersten Biene wütend an.
    Im nächsten Augenblick löste sich der ganze Schwarm von der Hauswand. Die Leute stoben erschreckt zur Seite. Ich sah mich plötzlich als Angriffsziel eines ganzen Bienenschwarms und machte schleunigst kehrt, um der Gefahr zu entrinnen.
    Das Summen blieb dicht hinter mir. Dunkel, drohend und entschlossen kam es näher. Die erste Biene landete auf meinem Hals. Ich riß die Hand hoch und ließ sie klatschend auf der Stelle landen, wo die Biene saß. Ich erwischte das Insekt, konnte aber nicht vermeiden, daß die sterbende Biene ihren Stachel in meiner Haut zurückließ. Der Schmerz war groß.
    Ich jagte auf den Lokaleingang zu. Hinter mir begannen die Leute lauthals zu lachen. Sie fanden es schrecklich lustig, einen ausgewachsenen Mann auf der Flucht vor einem wütenden Bienenschwarm zu sehen.
    Ich war außerstande, ihre Heiterkeit zu teilen. Ich erinnerte mich an das, was die unbekannte Anruferin gesagt hatte. Sie hatte mir prophezeit, dies werde mein letzter Sonntag sein und man habe sich für mich eine höchst ungewöhnliche Todesart
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