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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes
Autoren: Nadine Kühnemann
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    »Nun, Priester Cirnod , beeilen Sie sich jetzt besser«, sagte Mr. Loaton sichtlich verlegen. »Wir wollen den König nicht noch länger warten lassen.« Ihm war die Angelegenheit unangenehm.
    Cirnod nickte und schritt an Mr. Loaton vorbei in den Palast hinein.
    Obwohl die dicken Mauern von Valburg auch im Sommer stets für ein kühles Klima im Inneren sorgten, schien die Luft in der Empfangshalle dennoch zu stehen. Cirnod hatte sich hastig gewaschen und ein frisches Gewand übergestreift, um nur kurze Zeit später den hoffnungslos überfüllten Festsaal zu betreten.
    Er blieb in der Tür stehen und sah sich um. Die meisten Gäste hatten ihre Plätze bereits eingenommen, einige standen in der Nähe der drei schmalen von schweren Samtvorhängen eingerahmten Fenster, die bis fast unter die Decke reichten, und fächelten sich Luft zu. Der Tisch, an dem die königliche Familie Platz nehmen würde, überragte die übrigen auf einem Podest am schmalen Ende des länglichen Raums. Eine Frau mit einer strengen Knotenfrisur und unzufriedener Miene saß dort. Links von ihr starrte ein Mann mit mürrischem Gesicht ausdruckslos in die Menge. Auf dem Schoß der Frau saß der kleine Jonneth , der ausnahmsweise nicht weinte. Seine großen Kinderaugen beschäftigten sich damit, all die fremden Menschen, die er vermutlich nie zuvor gesehen hatte, zu mustern. Unzweifelhaft musste es sich um die Familie Venell handeln. Alle drei waren in dunkelblaue Seide gekleidet, das Familienwappen, ein schwarzer Bär auf silbernem Grund, prangte auf ihrer Brust.
    Das Königspaar war noch nicht anwesend, der reich verzierte Stuhl des Königs thronte leer in der Mitte der Tafel. Wahrscheinlich zogen es die Eltern vor, das Kind so lange wie möglich von der Hitze und dem Lärm im Festsaal fernzuhalten.
    Jemand berührte Cirnod sanft am Ärmel.
    »Herr, wenn ich Sie zu Ihrem Platz geleiten dürfte?« Es war einer der zahlreichen Diener, die in einfache braune Leinengewänder gekleidet umherliefen, um die Wünsche der geladenen Gäste zu erfüllen und um für Ordnung zu sorgen. Der schlanke Mann lächelte, doch Cirnod spürte genau, dass ihm nicht danach zumute war. In diesen Tagen hatten die Angestellten von Valburg alle Hände voll zu tun.
    Er nickte. Obwohl das Gewühl in der Halle eher an einen überfüllten Bienenstock als an eine kultivierte Festgesellschaft erinnerte, wichen die Gäste ehrfürchtig zur Seite, als der Diener ihm einen Weg durch die Menge bahnte. Er wies Cirnod einen Platz zwischen Jaham Venell und dem König zu. Da Cirnod den kleinen Thronfolger heute taufen würde, empfand er dies als angemessen. Er hatte schon befürchtet, unten in der Halle zwischen all den unbekannten Neureichen sitzen zu müssen. Mit einem Taschentuch wischte er sich Schweißperlen von der Stirn und ließ sich ächzend auf den Stuhl fallen. Ein stechender Schmerz schoss in sein Knie. Auch wenn ihm der Gedanke missfiel, würde er sich bald eine Schiene anfertigen lassen müssen, die das Bein stillhielt . Vielleicht konnte Eramon Sench , der Leibarzt des Königs, etwas für ihn tun. Er würde darauf zurückkommen, wenn die Taufzeremonie vorüber war, das nahm er sich fest vor.
    »Da sind Sie ja endlich«, sagte eine dunkle, schnarrende Stimme neben ihm.
    Cirnod wandte den Kopf und blickte in die kalten, kleinen Augen von Jaham Venell , der steif und aufrecht wie ein Stock neben ihm saß. Jaham stellte sich und seine Frau höflich vor, doch Freundlichkeit gehörte offensichtlich nicht zu Jahams Paradedisziplinen. Cirnod schätzte Disziplin und Ordnung, Eigenschaften, an denen es den Klosterschülern oftmals mangelte, doch bei Jaham Venell wirkten die Züge noch dazu arrogant und unsympathisch. Seit Cirnod erfahren hatte, dass er Jonneth nicht hatte taufen lassen, war der Cousin des Königs ohnehin beträchtlich in seinem Ansehen gesunken. Cirnod bemühte sich, freundlich zu sein, wie es sich für einen gottesfürchtigen Menschen gehörte. Vorurteile und Missgunst zählten nicht zu den Tugenden, denen sich ein Priester rühmen sollte.
    »Meine Kutsche hatte eine Panne«, sagte er wahrheitsgemäß. »Aber wie ich sehe, bin ich nicht zu spät. Der König ist noch nicht zugegen.«
    Jaham zuckte die Achseln. »Wenn Sie mich fragen, ist das eine Unverschämtheit gegenüber all den Edelleuten. Ich kann ohnehin nicht verstehen, weshalb seine Majestät so ein Brimborium um die Taufe seines Kindes macht.«
    Cirnod sah Jaham einen Moment verwirrt an, ihm fehlten die
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