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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen
Autoren: Favel Parrett
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räumen es gleich weg.«
    Harry rannte durch den Flur, in der Hand die Überraschungstüten. Miles lag auf seinem Bett, er starrte die Decke an.
    »Miles! Ich habe eine Überraschungstüte für dich!«
    »Psst. Dad hat Kopfschmerzen.«
    Harry schloss die Tür. Er versuchte, leise zu reden.
    »Ich hab zwanzig Dollar gefunden! Ich hab dir eine Cadbury-Tüte mitgebracht.
Eine Cadbury-Tüte!
« Harry hielt die lilafarbene Tüte ein Stück höher, sodass Miles sie richtig sehen konnte. »Für Stuart habe ich eine Redskins-Tüte, und für mich habe ich auch eine Cadbury-Tüte und eine Redskins und eine Bertie Beetle. Du kannst was abhaben, wenn du willst. Es gibt ein Dartspiel mit Pistole. Das können wir nachher spielen.«
    Harry bemerkte, dass Miles’ Hände komisch dalagen. Sie waren rot und geschwollen. Sie sahen schlimm aus.
    »Hast du dir auf dem Boot die Hände wehgetan?«
    Miles setzte sich langsam auf. »Ich muss nur warten, bis die Blasen heilen, mehr nicht.«
    »Kannst du nicht Fischöl draufmachen?«
    »Vielleicht nachher.«
    Miles wollte sich wieder hinlegen, aber Harry hielt ihn davon ab.
    »Wir müssen den Einkauf auspacken. Der steht vor der Tür. Ich trag die Tüten, du kannst das Zeug wegräumen. Wir haben sechs Tüten – wir haben alles! Cup-a-Soup, Makkaroni, Reis, Erdnussbutter.« Harry lud die Überraschungstüten auf dem Bett ab und ging zurück zur Tür, in der Hoffnung, Miles würde ihm folgen.
    Sie packten zügig und ohne zu reden aus. Harry grinste, als er Miles eine Familienpackung Teddybär-Kekse gab.
    »Noch ein Bier, Dad?«, fragte Miles.
    Dad nickte, und Miles brachte ihm eine Büchse aus dem Kühlschrank.
    Harry ging ins Schlafzimmer zurück und breitete nach und nach seine Schokolade und die Lutscher auf dem Boden aus.
    »Was nimmst du als Erstes?«, fragte er, als Miles hereinkam.
    Miles zuckte nur die Schultern.
    »Ich glaube, ich werde den einfarbigen Freddo und einen Redskin essen. Und morgen suche ich mir wieder zwei Sachen aus.«
    »Iss doch einfach jetzt, worauf du gerade Lust hast.« Miles saß auf seinem Bett und sah den Haufen an. »Wozu willst du das alles aufheben?«
    Harry legte die Süßigkeiten zurück in ihre Tüten, außer dem Freddo.
    »Wenn ich’s aufhebe, reicht’s länger. Es reicht, bis die Schule wieder anfängt.«
    Er sah zu Miles auf.
    »Willst du nichts von deinen Sachen?«
    »Ich bin müde.« Miles legte sich wieder hin. »Du hast Glück, dass du seekrank wirst, Harry. Du wirst nie auf dem Boot arbeiten müssen.«
    Harry saß auf dem Boden und aß seinen Schokoladenfrosch in kleinen, stillen Bissen.
    Miles hielt den Blick auf das Wasser gerichtet und lauschte auf den Motor. Er lauschte auf das
Tuck-Tuck
und das wirbelnde Wühlen der Sauerstoffpumpe. Solange sie pumpte, solange er die Abalone pünktlich aussortierte, solange er das Boot geschickt manövrierte, war alles in Ordnung. Aber draußen bei den Friars, die steil und schwarz waren, lagen Robben im Pulk halb schlafend auf den Felsen und beobachteten das Boot. Die Klippen dahinter sahen aus wie riesige Wächter, aufrecht standen sie da.
    Und verdammt, dieser Ort fühlte sich irgendwie vorzeitlich an.
    Das Wasser saugte an den Felsen, es schwoll an und schlug gegen den Stein, und wie Miles das Boot auch manövrierte, wie sehr er sich auch anstrengte, er konnte die Sauerstoffschläuche nicht einwandfrei im Blick behalten. Er wischte sich die Gischt vom Gesicht, kontrollierte noch einmal die Sauerstoffpumpe und wollte kurz in die Kajüte gehen, um sich aufzuwärmen. Um dem Wind zu entkommen. Aber auf dem Wasser tauchte ein Fangnetz auf.
    Von aufblasbaren Bojen aus der Tiefe gezogen, durchbrach es die Oberfläche, und Miles steuerte das Boot dichter heran. Er hakte das Netz an einer langen Metallstange fest und zog es um das Boot herum zum Heck, das flach und niedrig war. Dann griff er es mit beiden Händen, lehnte sich zurück und nutzte sein ganzes Körpergewicht, um die Abalone an Deck zu ziehen. Gestern war er rücklings hingefallen, als er die Netze aus dem Wasser gehievt hatte, diesmal nicht. Das Netz war leicht, kaum halb gefüllt.
    Die Abalone steckten eng ineinander und bildeten einen einzigen großen Klumpen. Miles benutzte eine stumpfe Metallklinge, um sie voneinander loszuschneiden. Er sortierte sie der Größe nach und legte sie in die Plastikwannen. Die meisten waren klein, kleiner, als sie sein sollten, aber Miles hütete sich, sie ins Wasser zurückzuwerfen. Dad würde ihn umbringen. In der
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