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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen
Autoren: Favel Parrett
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einen Hügel erklimmen, Stellen, wo das Wasser wütend war. Und es handelte sich dabei nicht um die Rückseite einer Welle oder einen Höchststand der Dünung. Es lag an der Brandung. Das Wasser brandete an Felsen, die in der Tiefe verborgen waren. Felsen, die man auch bei Ebbe nicht sah. Und wenn man nicht wusste, was das Anschwellen des Wassers bedeutete, ahnte man nicht, dass es diese Felsen gab. Die Hazards. Die Hazards von Bruny wurden sie genannt. Sie waren überall hier draußen. Felsen, die keine Verbindung zum Land hatten, aber groß genug waren, um das Wasser aufzuwühlen – seine Pfade zu verändern. Vielleicht waren diese Felsen einmal Inseln gewesen. Kleine Inseln oder vielleicht sogar größere, bevor sie abgetragen wurden. Abgetragen vom Wasser, vom Wind und vom Regen, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Und nur der Sockel blieb zurück, vom Meer verborgen. Verloren.
    Es gab Dinge, die einem niemand beibringen konnte – Dinge über das Wasser. Man wusste sie, oder man wusste sie nicht, aber niemand konnte einem sagen, wie man das Wasser zu lesen, wie man es zu fühlen hatte.
    Miles kannte das Wasser. Er fühlte es. Und er wusste, dass man ihm nicht trauen konnte.
     
    Die Luft war kalt und das Haus still. Harry stand aus dem Bett auf und schob seine nackten Füße in die Turnschuhe. Er ging in die Küche. Wenn er sich auf die Spitzen der Turnschuhe stellte, konnte er das Glas mit Erdnussbutter oben auf dem Schrank gerade so erreichen. Mit dem Finger strich er an der Innenseite des fast leeren Glases entlang. Die Erdnussbutter reichte nur noch für eine Scheibe Toast, also steckte er zwei Scheiben in den Toaster und machte sich ein Sandwich.
    Obwohl die Asche verglüht war, setzte sich Harry vor den Holzofen und aß. Er aß schnell. Tante Jean würde bald hier sein, um ihn zur Regatta mitzunehmen, und es wäre gut, bis dahin ordentlich angezogen zu sein. Es wäre gut, den Schal zu finden, den sie ihm gestrickt hatte, und ihn umzubinden. Es wäre gut, den dunkelblauen Parka anzuziehen, den sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Er mochte den Parka nicht besonders, weil er zu groß war, und er mochte die Farbe nicht, aber er war warm. Und einen anderen Parka besaß Harry nicht. Nur eine dünne Regenjacke.
    Er wünschte, dass nicht Tante Jean, sondern Joe ihn zur Vorführung mitnehmen würde, aber wenigstens redete sie nicht viel im Auto. Sie hatte das Radio eingeschaltet, in dem ein Mann zu hören war und nicht genug Lieder gespielt wurden. Harry versuchte, dem Gerede des Mannes zuzuhören, um nicht an die Straße zu denken. Es war eine lange Fahrt, und das schlimmste Stück kam erst noch. Das Stück, wo sich die schmale Straße in unzähligen Kurven hinauf zum Mount Wellington wand. Dort, wo seine Ohren immer fast platzten und ihm übel wurde.
    Er kämpfte gegen die Übelkeit an. Wenn ihm übel wurde, würde Tante Jean umkehren und ihn nach Hause zurückbringen. Er konzentrierte sich darauf, die Dinge im Auto zu betrachten. Er betrachtete das Armaturenbrett, und er blickte an seinen Beinen hinunter. Er sah sich die schwarze Matte unter seinen Füßen an. Er musterte die weißen fleischigen Hände von Tante Jean, die sie fest um das Lenkrad gelegt hatte.
    Endlich erreichten sie Fern Tree. Harry öffnete und schloss seinen Kiefer mehrere Male, um seine Ohren frei zu bekommen. Er überlegte, ob er Tante Jean bitten sollte, anzuhalten, damit er auf die Toilette gehen konnte, aber er beschloss, es auszuhalten. Dann erreichten sie die andere Seite, und während sie hinunterfuhren, sah er aus dem Fenster und erkannte zwischen den Bäumen am Straßenrand bruchstückhaft Hobart. Teile von Häusern und Fetzen der Straße, das Aufblitzen von blauem Wasser und weißen Segeln. Und als die Bäume lichter wurden, gab es immer mehr Häuser. Endlich war die Stadt in Gänze zu sehen, was Harry gefiel. All diese Gebäude und Autos und all die Dinge, die man tun konnte.
    Tante Jean parkte das Auto auf dem Gras in der Nähe des Ehrenmals. Sie wollte sich das Holzhacken anschauen, das um elf begann. Das hieß, sie hatten noch vierzig Minuten Zeit, und nachdem Harry die mobilen Toiletten gefunden hatte, steuerte er auf die Karussells zu. Er wollte sich Zeit lassen, wollte sich zuerst alle anschauen, weil er wusste, dass er nur mit einem fahren durfte. Einige der Karussells sahen beängstigend aus, andere waren langweilig wie die Ringelbahn. Den besten Eindruck machte der Gee-Whizzer, aber dazu hätte er Miles als Mitfahrer
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