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Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)

Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)

Titel: Jedes Kind ist hoch begabt: Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen (German Edition)
Autoren: Gerald Hüther , Uli Hauser
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tun und was zu lassen ist. Dem wir vertrauen müssten, auf dessen Signale wir hören müssten.
    Doch immer weniger Eltern kommen damit zurecht, wie Studien zeigen. Die Bindungsforscherin Lieselotte Ahnert, Professorin am Institut für Entwicklungspsychologie der Wiener Universität, untersucht seit über 30 Jahren, wie sich die Bindung zwischen Eltern und Kind nach der Geburt entwickelt. Sie hat herausgefunden, dass sich Kinder heute eher nach den Bedürfnissen der Eltern richten, als dass Eltern auf die Bedürfnisse der Kinder achten und darauf vertrauen, dass die Kleinen wissen und zum Ausdruck bringen, was sie brauchen.
    Kinder sollen keine Mühe machen und sich so gut wie möglich dem Leben ihrer Eltern anpassen. Damit sie so schnell wie möglich selbstständig werden und nicht allzu viel Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. So lernen Kinder früh, ihre Eltern nicht zu sehr mit ihren Gefühlen zu behelligen, mit Wut und Schmerz. Sie versuchen, mit Ängsten und Sorgen eher allein zurechtzukommen. Dabei entsteht, was Bindungsforscher als » distanziertes Beziehungsmuster« bezeichnen: die Angst vor Nähe und Ablehnung und die Furcht, mit seinen Sorgen nicht ernst genommen zu werden.
    In Deutschland zählen Wissenschaftler jedes zweite Kind zum » unsicher vermeidenden« Bindungstyp. Das sind Kinder, die von ihren Eltern nicht ermutigt wurden, auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten, sich Hilfe zu organisieren oder sich trösten zu lassen. Bindungsforscher führen auch die enorme Zunahme psychischer Erkrankungen auf unsichere Bindung in der Kindheit zurück. Solche Kinder müssen später nicht unbedingt Probleme bekommen. Solange alles glatt läuft im Leben und sie keine Krisen zu meistern haben. Wer seine Gefühle nicht zeigt und meint, alles mit sich allein ausmachen zu können, gilt bei uns als souverän und cool wie ein Manager, der alles im Griff hat. Aber wehe, wenn da ein Bruch ist. Oder traumatische Ereignisse verarbeitet werden müssen. Dann versuchen solche Menschen, mit ihren Sorgen allein klarzukommen: fressen sie in sich hinein, trinken zu viel, bekommen Bluthochdruck. Wer als Kind wenig Wärme erfahren hat oder emotional vernachlässigt wurde, bleibt sein Leben lang anfällig für psychische Leiden und körperliche Erkrankungen.
    Das Geheimnis starker Kinder und die sogenannte Resilienz, die Widerstandskraft gegenüber Störungen, wurde wissenschaftlich erstmals in den 1950er Jahren untersucht, in einer über Jahrzehnte angelegten Langzeitstudie mit Kindern auf der hawaiianischen Insel Kauai. Die Wissenschaftler beobachteten über 30 Jahre lang alle 1955 geborenen Einwohner. Ihre Lebensbedingungen waren damals häufig nicht gut: Armut prägte den Alltag, die Ehe der Eltern war zerrüttet, die Väter tranken und schlugen ihre Kinder. Trotz der schlechten Ausgangslage wurde aus jedem dritten Kind ein leistungsstarker und fürsorglicher Erwachsener. Weil es erlebt hatte, wie liebevoll sich mindestens eine andere Bezugsperson als Vater oder Mutter gekümmert hatte. Geborgenheit schenkte und Vertrauen. Die Furcht nahm, von Sorgen zu berichten, und Mut machte, mit Enttäuschungen umzugehen. Eine Tante, ein Lehrer, ein Nachbar können so im besten Fall das Versagen von Eltern wettmachen.
    Vor allem in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt bemühen sich die meisten Eltern noch, mit der Entwicklung ihres Kindes Schritt zu halten. Sie wollen wissen, warum es wie reagiert, sie versuchen, seine Gesten zu entschlüsseln und seine Handlungen zu deuten. Sie sind neugierig auf die Reaktionen ihres Kindes und wollen es wirklich kennenlernen. Später dann verlieren viele Eltern allerdings das Interesse, und das Verhalten der Kinder wird immer mehr beurteilt, eingeordnet, katalogisiert. Gib acht, tu dir nicht weh, pass auf, zieh dir die Jacke an, setz die Mütze auf … Wie soll ein Kind, dem alles gesagt wird, selbst Verantwortung für sich übernehmen?
    Erlauben wir den Kindern noch, sich dreckig zu machen oder in der Pfütze herumzutrampeln, ohne den Hinweis zu geben, sie würden sich die Hose nass machen? Wie sollen Kinder sich selbst ausprobieren, wo heute jeder Spielplatz umzingelt ist von Müttern und Vätern, die jede Regung registrieren und ihre Lieblinge fürsorglich belagern? So wie es die Berliner Autorin Ulrike Draesner beschreibt: » Man konnte im Gefängnis stecken, in einer psychiatrischen Anstalt mit Gittern vorm Fenster und Chemie im Hirn oder in einem der Regierungsgebäude, umgeben von
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