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Jeder Hund kann gehorchen lernen

Titel: Jeder Hund kann gehorchen lernen
Autoren: Dirk Lenzen
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oft auf Pferden reiten. O-Ton Gysmo: »Ständig musste ich nachspüren, wo die Pferde und Menschen in unserer Wohnung rumliefen. Keine da – dabei hatte ich sie in allen Winkeln gehört; doch mein Mensch lachte nur und sagte etwas von Rundumklang und Dolby Surround. Also, da muss ich mich erst noch dran gewöhnen.« Laut Drehbuch sucht Gysmo nun eine Ersatzbefriedigung und widmet sich einem der beiden hochhackigen Schuhe der Nachbarin, die in einer Ecke des Raumes auf dem Boden stehen: »Das Teil muss ich näher benagen.« Für das Foto, auf dem Gysmo a m Damenschuh nagt, muss ich einen Weg finden, um seine gute Erziehung kurzzeitig außer Kraft zu setzen.
    In solchen Situationen ist es wichtig zu verstehen, wie ein Hund tickt. Denn Gysmo denkt natürlich nicht: »Oh, sieht wie ein Schuh aus, davon lasse ich besser mal besser die Pfoten.« Man geht davon aus, dass die Sehschärfe von Hunden etwa sechsmal schlechter ist als die von Menschen, außerdem erkennen sie auch weniger Farben. Dennoch kann ein Hund klar definierte Formen wie einen Ball rein visuell wiedererkennen. Wird ein Hund mit fünf Bällen konfrontiert, findet er immer den »am schönsten«, der sich gerade bewegt. Wirft man drei Bälle gleichzeitig hoch, wird er sich den schnappen, den er am schnellsten erreichen kann. Neben der Form eines Objekts spielt es also auch eine Rolle, ob und wie es sich bewegt oder wie es bewegt wird. Eine der großen Stärken von Hunden ist, dass sie – die Nachfahren des Wolfes – selbst in großer Entfernung minimale Bewegungen wahrnehmen können. Ihr Gesichtsfeld beträgt 240 Grad, das des Menschen nur 200 Grad. Darum verharren Beutetiere in der freien Natur oft regungslos, wenn sie einen Feind wittern. Doch die neuesten Sandalen oder Pumps sind für Hunde – im Gegensatz zu vielen weiblichen Zweibeinern – keine Beute.
    Wie also verarbeitet ein Hund Informationen, wenn es um Schuhe geht? Die Form allein kann er nur schwer verknüpfen, dafür gibt es zu viele Unterschiede: hohe und flache Schuhe, offene und geschlossene Schuhe, Leder- und Stoffschuhe, Stiefel und Sandalen. Schuhe sehen unterschiedlich aus, bestehen aus unterschiedlichen Materialien und riechen immer anders. Wie lernt ein Hund, dass er die Schuhe in der Garderobe nicht anknabbern darf? Ganz einfach, er erschnüffelt sich seine Information. Ein Welpe, der an einem benutzten Schuh zu knabbern versucht und daraufhin korrigiert wird, zieht folgenden Schluss: »An Dingen, die so riechen, darf ich nicht knabbern und zupfen, sonst gibt’s Ärger.«
    Deshalb muss für die letzte Szene ein nagelneuer Schuh her, einer, der neutral riecht, sodass Gysmo ihn nicht zuordnen kann. Wir brauchen ein aus Hundesicht »neutrales« Objekt. Fragt sich nur noch, wie ich es erreiche, dass Gysmo den Schuh zerkaut? Oder anders gefragt: Wie mache ich den Schuh interessant? Ich gebe Gysmo den Schuh, lasse ihn daran schnüffeln, nehme ihm den Schuh wieder weg, nehme die Einlage heraus, lasse ihn auch daran schnüffeln, werfe den Schuh, lasse ihn von Gysmo apportieren, inszeniere ein kleines Gezerre, das ich gewinne. Kein Wunder, dass Gysmo jetzt extrem scharf auf diesen Schuh ist, den sein Rudelführer so vehement verteidigt.
    Das nutze ich aus: Beim nächsten Spiel mit dem Schuh tue ich zunächst so, als wollte ich die »Beute« abermals bei mir behalten, gebe aber dann doch nach. Der Fotograf weiß bereits, dass er in ein paar Sekunden einsatzbereit sein muss – und Gysmo reagiert wie erwartet mit Imponiergehabe. Jetzt, da ihm Alphatier Lenzen die »Beute« überlassen hat, versucht er zu provozieren und fängt an, den Schuh zu benagen: »Siehst du, nun habe ich das Ding, und jetzt zeige ich dir mal, was ich kann. Ätsch.«
    Ganz wichtig: Auch wenn das Zerrspiel für Filmhund Gysmo in diesem Fall Sinn macht, sollte es im normalen Alltag für einen Familienhund tabu sein. Ein Hund, der an etwas zerrt – sei es ein Apportierseil oder Herrchens Schal – baut automatisch Aggressionen auf. Und wenn der Hund gar ein Zerrspiel mit Herrchen oder Frauchen gewinnt, wird er sich im Alltag verstärkt dominant verhalten. In der Schutzhundausbildung sind Zerrspiele üblich, damit der Hund lernt, kräftig zuzupacken und nicht bzw. nur auf Kommando loszulassen.
    Als der Fotograf fertig ist, mache ich Gysmo mit dem Kommando »Aus!« klar, dass das Spiel vorbei ist und er mir den Schuh geben muss. Bei den Kommandos gibt es kleine, aber feine Unterschiede: Würde ich Gysmo nach dem
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