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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Autoren: Konstantin Wecker
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  – und das war nicht viel.
     
    Alle andern Herrn warn erst verstört,
    doch er war nun mal der erste Mann im Haus,
    und obwohl es sich nun wirklich nicht gehört,
    zogen sich gehorsam alle andern aus.
     
    Nein, das war kein wirklich schöner Anblick.
    Ohne Schlips und Kragen sinkt so jemand tief!
    Sie sahn aus wie ganz normale Durchschnittsgangster   –
    und dazu kein bisschen attraktiv.
     
    Und kein Schiff mit acht Segeln
    lag drunten am Kai.
    Für diese Herren
    war die Party vorbei.
     
    13   Börsianer, Weltgestalter,
    ohne Wäsche, ohne Ansehn, ohne Pracht!
    Einer noch verschämt im Büstenhalter   –
    und von allen Angestellten ausgelacht.
     
    Alle hielten sich die Hände vor den Schniedel.
    Ohne Porsche traun sie seiner Größe nicht   …
    Und es stellte sich die bange Frage:
    Vielleicht die Hände besser vors Gesicht?
     
    Heute weiß man es: es war ein Virus,
    der die Herrn in Frankfurt einst besprang,
    und es war der Anfang nur vom Ende,
    der längst fällige, gerechte Abgesang
     
    eines viel zu lange hochgelobten Irrsinns,
    einer Banken-Spekulanten-Diktatur.
    Und da die Menschheit nicht mehr bei Verstand war,
    half ihr ein kleiner Virus auf die Spur.
     
    Und kein Schiff mit acht Segeln
    rettete sie   –
    der Preis für ein Leben
    ohne Poesie.
     
    In New York, Berlin, Paris und Tokio
    mussten nackte Banker kläglich friern,
    und jetzt sah man erst, wie viel Idioten
    unsre eigentlich so schöne Welt regiern.
     
    Mancherorten ist die Welt schon besser,
    manche Protzpaläste stürzten bereits ein,
    was kein Wunder ist, es gab sie niemals wirklich,
    alles war nur Glitzer, Trug und Schein.
     
    Und damit der Wahnsinn restlos endet,
    dürfen wir kein bisschen ruhn.
    Helfen wir dem Virus bei der Arbeit,
    es gibt in der Tat noch viel zu tun!
     
    Zieht den Börsianern die Anzughosen aus,
    Handy, Laptop und was sonst an ihnen klebt,
    und dann solln sie jetzt mal sehn, wie man mit ehrlicher Arbeit
    und ’nem Euro in der Stunde überlebt!
    Es geht zu Ende
     
    Es geht zu Ende. Seine großen Pläne
    liegen vergilbt wie er auf Zimmer 3.
    Aus stolzen Bäumen werden meistens Sägespäne.
    Den Schwestern ist das ziemlich einerlei.
     
    Sie wissen nichts von seinen Liebesdingen
    und nichts von dem, was ihn durchs Leben trieb.
    Zwar wollte ihm das eine oder andere gelingen,
    doch nichts für immer, nichts, was wirklich blieb.
     
    Sie drehen ihn, sie waschen ihn, sie ziehn ihn an.
    Am Mittwoch darf er in den Park.
    Er würde gerne in den blauen Frühling fliehn.
    Er ist zu schwach. Er war noch nie sehr stark.
     
    Ein Leben eben, eines von Milliarden,
    nicht schlecht, nicht gut, mit wenig Heiterkeit.
    Natürlich war da Hoffnung, doch am Ende
    fraß die sein großer Feind, die Zeit.
     
    Bei Schwester Heike wagte er es zu lächeln.
    Die streichelt manchmal zärtlich sein Gesicht.
    Sonst ist es still um ihn. Keine Besuche.
    Auch sein betuchter Sohn besucht ihn nicht.
     
    Der hat zu tun, Verpflichtungen, Valuten,
    er hat fürs Sterben aus Prinzip noch keine Zeit.
    Dem Vater reichten schon ein paar Minuten,
    dann wäre er vielleicht zum Gehn bereit.
     
    Sooft er auf die Tür starrt, sie bewegt sich
    ausschließlich dienstlich, keine Freunde, nie.
    Ist denn ein jeder Abgesang so glanzlos?
    Er stirbt das erste Mal, er weiß nicht wie.
     
    Wo sind sie alle, all die Saufkumpanen,
    die einem ewig Kameradschaft schworen?
    Wo die Geliebten, all die schönen Namen?
    Über die Welt gestreut, verpufft, verloren   …
     
    Es ist vorbei. Am schlimmsten ist, dass alles
    im Nachhinein so kurz und flüchtig scheint.
    Er hatte sich noch so viel vorgenommen,
    so viele Tränen warn noch nicht geweint.
     
    Ach, wie viel Zeit vertan am Tresen,
    mit Sprücheklopfen, witzig sein.
    Der falsche Weg. In seine Seele
    ließ er nicht mal sich selbst hinein.
     
    Jetzt würd er gern noch einmal in sich gehen
    und stößt an Mauern, lässt betrübt
    auch diese Hoffnung fahren und muss sehen:
    Er hat den Weg zu sich noch nie geübt.
     
    Ich würd gern sagen: Als er starb,
    sah er am Ende eines Tunnels Licht.
    Ob er dann endlich fand, was er nie suchte?
    Zu hoffen wär’s. Mehr weiß ich leider nicht.
    Tropferl im Meer
     
    Wann i nimmer weiter woaß im Durchanand
    von Leb’n und Lust und Leid und Werd’n und Sterb’n,
    nimm i mi auf d’Nacht selber bei der Hand,
    lass mi fall’n und schaug in d’ Stern.
     
    Wia’s da blinkt und blitzt und blüht am Himmelszelt,
    werd mei Herz auf oamoi wieder froh.
    So unendlich weit ist
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