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Je sueßer das Leben

Je sueßer das Leben

Titel: Je sueßer das Leben
Autoren: Darien Gee
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schwimmen.
    »Vielleicht ein andermal«, sagt er und bedenkt sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Seine Hände, mit denen er das Lenkrad umklammert, sind schweißnass. »Wir sehen uns dann morgen.« Er winkt ihr kurz zu, bevor er den Gang einlegt und mit quietschenden Reifen vom Parkplatz fährt.
    Julia steht vor der Küchenspüle, die Hände voll Schaum, spült das Geschirr und stellt die einzelnen Teile zum Trocknen in das hölzerne Abtropfgestell. Mark bringt gerade Gracie ins Bett.
    Es ist die einzige Tageszeit, zu der sich Julia wie ein normaler Mensch fühlt. Sicher. Endlich bekommt sie wieder Luft, endlich kann sie wieder atmen, ohne Angst zu haben, dass eine Axt auf sie niedersausen und zerschmettern könnte, was von ihrem Leben übrig ist. Der Tag ist endlich vorbei und überstanden. Ihr Mann ist da, ihre Tochter ist da. Sie sind alle in einem Haus versammelt, unter einem Dach. Selbst wenn sie im Flur schweigend aneinander vorbeigehen, sind sie doch wenigstens zusammen.
    Sie muss nur noch den Rest des Geschirrs spülen, dann wird sie den Tisch abwischen, duschen und ins Bett kriechen. Sie wird erst gar kein Buch in die Hand nehmen oder den Fernseher einschalten, wie Mark es gerne macht, sondern gleich in einen traumlosen Schlaf fallen und endlich zur Ruhe kommen.
    Julia nimmt den nächsten Teller. Das ungewohnte Gewicht lässt sie nach unten blicken. Es ist der bemalte Teller, den sie auf ihrer Veranda gefunden hatten, mit ein paar übrig gebliebenen Krümeln darauf. Einen Moment lang betrachtet sie die roten Rosen, die hellblauen und violetten Stiefmütterchen, mit denen er verziert ist. Bei ihrer Hochzeit waren sie und Mark arm und jung. Sich teures Porzellan schenken zu lassen wäre ihnen wie die reinste Verschwendung vorgekommen, unnötiger Luxus. Abgesehen davon, so witzelten sie, würden die Kinder es ja sowieso nur kaputtmachen. Seufzend stellten sie sich das Chaos vor, das ihre künftigen Nachkommen anrichten würden. Mark und Julia machten Pläne für diese Kinder, richteten ihre Entscheidungen an den kleinen Wesen aus, die erst noch gezeugt werden mussten.
    »Wir könnten uns doch Tupperware schenken lassen«, schlug Mark vor, und Julia kicherte.
    Julia fährt mit ihrer schaumigen Hand über den glatten Teller, wehmütig und traurig über das, was hätte sein können. Als sie den Teller umdreht, sieht sie den Stempelaufdruck auf der Rückseite.
    FINE BONE CHINA
    SHELLEY
    ENGLAND
    Das ist es aber nicht, was ihr den Atem stocken lässt, so dass ihr beinahe der Teller aus der Hand rutscht. Über einer Nummer steht der Name des Musters.
    Rose … Pansy …
    Und dann das letzte Wort, in einer eigenen Zeile.
    Forget-Me-Not.
    Rose, Stiefmütterchen, Vergissmeinnicht.

Kapitel 2
    »Kopf, und es wird ein Mädchen. Zahl, und es wird ein Junge.« Ein Vierteldollar wirbelt durch die Luft, und Livvy fängt ihn mit einem Lachen auf. Sie stupst ihre Kollegin an. »Na, komm schon. Eins von beiden!«
    Edie beißt in ihr Sandwich. »Ich finde dein hochwissenschaftliches Verfahren zur Bestimmung des Geschlechts meines ungeborenen Kindes zwar absolut überzeugend, aber danke, ich möchte es lieber nicht wissen. Außerdem bin ich wahrscheinlich gar nicht schwanger. Ich bin einfach nur ein paar Tage überfällig.«
    »Ach, Edie! Worauf wartest du eigentlich?«
    Edies blaue Augen hinter den eckigen Brillengläsern funkeln. »Vielleicht auf meine Periode?«
    Livvy knallt den Vierteldollar auf den Tisch. »Kopf. Es wird ein Mädchen.« Sie macht sich über ihr Mittagessen her, Nudelsalat mit kalorienreduziertem italienischem Dressing. Es ist ihr unbegreiflich, wie Edie so gelassen sein kann. Wenn Livvy überfällig wäre, würde sie sofort in die Drogerie rennen und jeden Schwangerschaftstest kaufen, den man kriegen kann. Beziehungsweise frau.
    Sie und Tom probieren es seit einiger Zeit, aber sie hat vorsichtshalber niemandem davon erzählt, falls es nicht klappt. Livvy ist siebenunddreißig, da hat sie eigentlich noch ein paar Jahre, aber Tom meint, dass das Risiko von Komplikationen mit jedem Tag, den sie warten, größer wird. Er kennt Leute, die Leute kennen, deren Kinder das Down-Syndrom haben. Livvy merkt, dass sie sich schon wieder aufregt. Man kann einfach nicht alles kontrollieren, und auch wenn sie nicht religiös ist, glaubt sie, dass alles seinen Grund hat. Selbst das Undenkbare, das sie am eigenen Leib erfahren hat. Als Tom vorschlug, auf Verhütung zu verzichten, um »zu sehen, was passiert«, nickte sie
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