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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition)
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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getreulich Gulden um Gulden die Schuld des Schwiegervaters abgetragen hatte. Noch am Tag seiner Freilassung aus dem Turm war Franz Bäsinger nach Tirol ausgewandert und dort erneut Münzmeister geworden.
    Die meisten Augsburger hatten sich inzwischen an der großen Straße vom Roten Tor in der südlichen Stadtmauer bis zum Rathaus und zum Dom versammelt. Hier standen sie an diesem Morgen dicht an dicht zu beiden Seiten vor den Häusern, wobei sie nur eine mit Blumen bestreute Gasse in der Mitte der alten römischen Via Claudia frei ließen.
    Ein ungeduldiges Gemurmel lief wieder und wieder durch die Reihen. Es wurde zum kurzen Gelächter, wenn einer der alten Stadtwächter eine hübsche Dirne, die sich zu vorlaut nach vorn gedrängt hatte, etwas unsanft mit dem Ende seiner langen Hellebarde zurückdrängte oder wenn ein Schalk sich den Spaß machte und voreilig »Sie kommen! Ja, sie kommen!« rief. Dann machten alle lange Hälse und schauten vergebens die Straße hinab. Noch dichter war das Gedränge nach Norden hin. Hier erweiterte sich die Straße zum großen Platz. Direkt vor dem Rathaus hatten sich die Zünfte aufgestellt. Die Gilde der Fischer von Wertach und Lech mit ihren Ältesten an der Spitze, die stolzen Weber, denen die Stadt ihren Aufstieg verdankte, die Zimmerer mit ihren Fahnen, die Brauer mit den wertvollen Gewerbezeichen – sie alle hatten sich im Sonntagswams versammelt. Nur wenigen fiel auf, dass einige der Handwerker, Händler und Wirte fehlten.
    Bot schon die Menge am Straßenrand einen feierlichen Anblick, so traf dies noch mehr auf die hohen Häuser selbst zu. Bis an die Giebeldächer zeigten sich an allen Fenstern herausgeputzte Frauen und Mädchen. Grüne Tannen- und Taxuszweige an den Seiten und herabhängende bunte Tücher umrahmten sie wie heitere Gemälde.
    Das anmutigste Bild bot freilich ein Erkerfenster am Haus des Kaufmanns Lukas Fugger vom Reh. Jedermann in Augsburg kannte die vier fröhlichen Mädchen, die ihr schönes Haar noch in Netzen trugen, um damit zu zeigen, dass sie noch zu haben waren. Sie waren noch keine achtzehn Jahre alt.
    Anna, die Älteste, war kräftig gebaut. Dichtes, braunes Haar zog sich um ihre freie Stirn und die gewölbten Bogen ihrer dunklen Brauen. Berta, die Jungfrau zur Linken, war kleiner und etwas fülliger als ihre Schwestern. Sie strahlte die Fröhlichkeit eines heiteren Wesens aus, das sehr wohl wusste, wie sehr es gefiel. Ihr hellblondes Haar war nach Sitte der Augsburger Damen in viele Löckchen und Zöpfchen geschlungen und zum Teil unter eine weiße Tuchhaube gesteckt. Die Dritte ähnelte der Mutter, nach der sie den Namen Bärbel trug. Sie war resolut, wenn auch nicht ganz so anmutig wie ihre Schwestern. Die Vierte von ihnen hieß Marie. Sie wirkte eher zart und verträumt, doch spielte ein herrischer, schon fast abweisender Zug um ihre Lippen – ganz so, als missbillige sie das fröhliche Kichern ihrer älteren Schwestern.
    Es waren viele, die den Habsburger auf seinem Weg aus der Wiener Neustadt nach Trier begleiteten, Grafen und Herzöge, Priester und Bischöfe, Ratgeber und Beobachter benachbarter Reiche im Osten und Norden. Jeder wollte dabei sein, wenn Kaiser Friedrich  III . seinen Sohn mit der Erbtochter Herzog Karls des Kühnen verlobte. Burgund und Österreich durch die Erben vereint – das musste die gerade erst frei gewordenen Schweizer ärgern, die Franzosen in kalte Wut versetzen und die mit sich selbst beschäftigten Signorien der Italiener grämen, deren Fürsten eigentlich auch Lehnsleute des deutschen Kaisers und römischen Königs Friedrich  III . waren.
    Doch noch war es nicht so weit: Während Maria von Burgund als reiche Partie galt, wussten die Habsburger nicht einmal, wie sie auf dem langen Weg das Futter für ihre Pferde bezahlen sollten …
    Es ging bereits gegen Mittag, als Ulrich, der Erstgeborene, ebenfalls im Haus des Onkels auftauchte. Er war ein stattlicher und ernster Mann Anfang dreißig. Wie üblich um diese Jahreszeit trug er einen dunklen Kittel mit leichtem Pelzbesatz auf dem breiten Kragen und den weiten Ärmeln. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sich für den Einzug des Kaisers umzukleiden.
    Von den anderen, ebenfalls erwachsenen Brüdern Jakobs befand sich keiner mehr in Augsburg. Andreas war seinem verstorbenen Bruder Hanns nach Venedig gefolgt, Markus hielt in Rom die Verbindungen zum Vatikan, Peter leitete die Niederlassung in Nürnberg, und Georg, der Zwanzigjährige, war früh am
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