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Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Jahrestage 2: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Uwe Johnson
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liefern Sie an Fleisch, Fett, Wurst –. Darauf Klein, mit Stolz auf seine Vernunft: Das könn’ Sie nich machn! Da sprachen sie so und so. Da waren sie im Gange. Da gaben sie ihm einen Packen Schlachtscheine mit dem queren Aufdruck LUFTWAFFE . Dann vereidigten sie ihn auf das Datum des Kriegsbeginns. Und Klein sagte, gekränkt durch die Zweifel an seiner Berufsehre: Also wenn Sie mittags 12 aufn Knopp drückn, morgn früh um 7. Pünktlich. So endete Schlachter KLEINS antifaschistischer Widerstandskampf. »Sie ham mie mid Kassed gedrouht.«
    BÖHNHASE .
    Tabak-Böhnhase, D. N. V. P., beweise seine Unterdrückung durch die Nazis so: Wenn er nicht im Jahre 1932 die kommunistische Zigarette »Rote Sorte« so kräftig im Winkel um Jerichow verbreitet hätte, wären die Nazis 1942 kaum so fix gewesen mit den sieben Jahren Gefängnis, bloß weil er rationierte Rauchwaren gegen Räucherspeck abgegeben habe.
    Freunde in Jerichow.
    ALFRED BIENMÜLLER , Huf- und Nagelschmied.
    Ohne Erklärung?
    Ohne Erklärung.
    Und Peter Wulff?
    Und PETER WULFF . 1931 vorzufinden in Jerichow als Gastwirt und Besitzer einer Gemischtwarenhandlung, Mitglied der S. P. D. Die Freundschaft sei bis zum Schreiben von Briefen gegangen. Peter Wulff sei imstande gewesen, Cresspahls englische Nachrichten über den Langemarckprozeß vom Januar 1933 umzubauen in ein jerichower Flüstergestrüpp, das für den Bürgermeister Dr. Erdamer, selbst S. P. D., die Feier zum Tag der Reichsgründung umschmiß. Wulff habe sich wieder und wieder nicht zum Verlassen der S. P. D. entschließen mögen, nicht nach dem kasseler Parteitag von 1920, nicht nach dem görlitzer von 1921, nicht einmal nach dem kieler von 1927, auf dem es schon um den »organisierten Kapitalismus« gegangen war. Das sei eines der durchlaufenden Gespräche mit Wulff gewesen, das andere die Freundschaft zwischen Lisbeth und META WULFF , Fischerstochter von der Dievenow, noch ein anderes die Schädigung des ersten Nazibürgermeisters Friedrich Jansen. Ein Wulffscher Erziehungsversuch von 1935 an einem Gast, der aus der Kirche austreten wollte mit der Ausrede, Jesus sei ja ein unehelich beigeschlafenes Kind. Wulff: Verheiratet war deine Mutter doch auch nich; was sollen wir nun mit d i r machen? Auf Verlangen der lübecker S. P. D. habe Cresspahl 1938 den Umgang mit Wulff aufgeben müssen, öffentlich, so daß die Stadt an einen dauerhaften Streit glauben sollte. Zwei Tage nach dem Krieg habe er Wulff abgepaßt, und wie er habe Wulff den Grund nicht gekannt. Offenbar war die Sache schlicht vergessen worden, und auch Wulff habe der S. P. D. solche Personalpolitik nicht vergeben mögen, auch nicht unter den Bedingungen der Illegalität. In den Jahren der angeblichen Verfeindung habe Cresspahl nur ahnen können, daß Wulff nächtens die Fahnenstange vor Friedrich Jansens Haus umgesägt hatte, schon damit Cresspahl Arbeit bekam. Wulff gab es mit Vergnügen zu, und obendrein, daß tatsächlich er in jedem März Blumen auf das Grab von Friedrich Laabs geschmuggelt hatte, den die Kapp-Putschisten im Keller des Hotels Erbgroßherzog in Gneez umgebracht hatten; zum ehrfürchtigen Staunen von Gestapo und Kriminalpolizei. Deren Ermittlungen waren bis 1942 regelmäßig gegen Cresspahl gelaufen, weil er als Nachbar des Friedhofs von Jerichow den nächsten Weg zum Grab gehabt hätte. Und über die Rolle der S. P. D. beim Panzerkreuzerbau 1928 lasse Wulff mittlerweile schon mit sich reden, auch über die sozialdemokratische Billigung für die Außenpolitik im Mai 1933; was aber den Parteitag von Kiel angehe, so gebe er nicht nach, nicht nach der zweiten Flasche Korn. Und da er sich bei den Sowjets nicht meldete als Mitglied der S. P. D., habe er auch nicht über die Vereinigung mit der K. P. D. in die S. E. D. müssen und sei so um den Austritt gekommen, der nach der Schließung seines Ladens doch wohl fällig geworden sei. Das Leben mit Wulff sei eins mit gegenseitigem Spaß, und beide seien es leid, fast sieben Jahre versäumt zu haben.
    FRIEDRICH JANSEN .
    Bürgermeister der Stadt Jerichow seit dem Rücktritt Dr. Erdamers im März 1933. Papenbrock habe für schlau gehalten, daß er seine Herrschaft jeweils in den Mitteln des Geldes versteckt habe, statt in der Verwaltung auch einmal andere Sachen durchzusetzen als bloß seine; wegen Papenbrocks Feigheit habe Jerichow nach Dr. Erdamer einen verkrachten Jurastudenten aufs Rathaus bekommen, als Gefälligkeit für den alten Dr. Jansen, und
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