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Jäger der Macht: Roman (German Edition)

Jäger der Macht: Roman (German Edition)

Titel: Jäger der Macht: Roman (German Edition)
Autoren: Brandon Sanderson
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eigenes Gewicht schickte die Hülse schneller hinunter, als er selbst fiel. Wie immer war er dank der Ferrochemie leichter, als er eigentlich sein sollte. Er wusste kaum mehr, wie es sich anfühlte, mit vollem Gewicht herumzulaufen.
    Als die Patrone auf den Boden traf, drückte er dagegen und sprang horizontal über die Gartenmauer. Er stützte sich dabei an der Mauerkrone ab, setzte in einem Bogen über den Garten hinweg, verringerte sein Gewicht zu einem Bruchteil des gewöhnlichen und landete weich auf der anderen Seite.
    Ah, gut, dachte er, kauerte sich nieder und spähte durch den Nebel. Der Kutschenhof. Die Gefährte, mit denen die Gäste hergekommen waren, standen in Reih und Glied nebeneinander, während sich die Kutscher in einigen gemütlich erhellten Räumen unterhielten, aus denen orangefarbenes Licht in den Nebel hinausdrang. Hier gab es noch keine Elektrizität, sondern nur gutes, Wärme spendendes Kaminfeuer.
    Er ging zwischen den Kutschen umher, bis er seine eigene gefunden hatte; dann öffnete er den Koffer, der am hinteren Teil festgebunden war.
    Er zog den Abendfrack aus und warf sich seinen Nebelmantel über, ein langes, ihn ganz einhüllendes Kleidungsstück, das einem Staubmantel ähnelte, aber mit einem dicken Kragen und Manschetten an den Ärmeln versehen war. Er steckte sich eine Waffe in die Innentasche, legte seinen Revolvergürtel um und verstaute die Sterrions in den Holstern an seinen Hüften.
    Ah, dachte er, viel besser. Er sollte aufhören, diese Sterrions zu tragen und sich stattdessen praktischere Waffen zulegen, die leichter zu verbergen waren. Doch leider hatte er bisher keine besseren als die von Ranette gefunden. War sie nicht ebenfalls in die Stadt gezogen? Vielleicht sollte er sie aufsuchen und dazu überreden, etwas Neues für ihn herzustellen. Vorausgesetzt, sie erschoss ihn nicht sogleich.
    Wenige Augenblicke später rannte er durch die Stadt; der Nebelmantel lag leicht auf seinem Rücken. Er ließ ihn aufgeknöpft, und unter ihm kamen sein schwarzes Hemd und die elegante Hose zum Vorschein. Der knöchellange Nebelmantel war von der Hüfte an in Streifen geschnitten, die Quasten flatterten mit einem schwachen Rascheln hinter ihm.
    Er ließ eine Patronenhülse fallen, sprang mit ihrer Hilfe in die Luft und landete auf dem Dach des Gebäudes, das auf der anderen Straßenseite dem Cett-Haus gegenüberstand. Dann warf er einen Blick darauf zurück; die Fenster waren in der abendlichen Dunkelheit hell erleuchtet. Welchen Gerüchten würde er Vorschub leisten, indem er auf diese Weise vom Balkon verschwunden war?
    Es war doch bereits allgemein bekannt, dass er ein Zwillingsgeborener war. Sein Verschwinden würde dem Ruf seiner Familie nicht gerade förderlich sein. Doch das war ihm in diesem Augenblick gleichgültig. Seit seiner Rückkehr in die Stadt hatte er fast jeden Abend bei dem einen oder anderen gesellschaftlichen Ereignis verbracht, und schon seit vielen Wochen hatte es keine Nebelnacht mehr gegeben.
    Er brauchte den Nebel. So war er nun einmal.
    Wax rannte über das Dach und sprang auf die Demoux-Promenade herab. Bevor er auf den Boden traf, warf er eine Patronenhülse hinunter und drückte dagegen, wodurch sich sein Abstieg wieder verlangsamte. Er landete zwischen einigen Zierbüschen, in denen sich seine Mantelquasten mit einem Rascheln verfingen.
    Verdammt. Im Rauland pflanzte niemand Zierbüsche. Er riss sich frei und zuckte unter den lauten Geräuschen zusammen. Rostete er etwa schon nach wenigen Wochen in der Stadt ein?
    Er schüttelte den Kopf, stieß sich erneut in die Luft ab und bewegte sich über den breiten Boulevard und den parallel dazu verlaufenden Kanal. Er flog in einem Winkel, der ihn auf eine der neuen elektrischen Lampen brachte. Das war an einer modernen Stadt wie dieser angenehm: Sie wies eine Menge Metall auf.
    Er lächelte, fachte seinen Stahl an, drückte sich von der Straßenlaterne ab und flog in einem hohen Bogen durch die Luft. Der Nebel strömte an ihm vorbei und verwirbelte, während ihm der Wind gegen das Gesicht blies. Es war erregend. Er fühlte sich nie wirklich frei, bis er nicht die Fesseln der Schwerkraft abgeworfen hatte und hoch in den Himmel steigen konnte.
    Als er den Scheitelpunkt des Bogens erreicht hatte, den sein Flug beschrieb, drückte er gegen eine andere Lampe und schwang sich noch weiter vorwärts. Die lange Reihe der Metallpfähle war so etwas wie seine eigene, persönliche Eisenbahnlinie. Er sprang immer weiter, und
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