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Jade-Augen

Jade-Augen

Titel: Jade-Augen
Autoren: Jane Feather
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jugendlichen Schäfer hören, die von den Felswänden abprallten und in den felsigen Schluchten widerhallten.
    Es war eine so öde und feindselige Landschaft, daß Kit dachte, sie könne leicht den Hintergrund der Hölle in seiner eigenen Vorstellung abgeben. Er hatte seinen Befehl, die Gegend zwei Tage lang auszukundschaften und am dritten Tag im Brigadehauptquartier in Kabul Meldung zu machen, inzwischen weit überschritten. Er hatte keine Möglichkeit mehr, diesem Befehl zu folgen, selbst wenn sie nicht eines grausamen Todes in Akbar Khans Händen sterben würden. Aber andererseits wäre es, wenn es ihm gelänge, den Aufenthaltsort des Rebellenführers und ein Gespräch mit ihm zu melden, dennoch eine ansehnliche Leistung. Und wenn er es schaffte, eine gefangene Engländerin zu ihren Landsleuten zurückzubringen, dann würde eine solche Heldentat seinem Ruf äußerst förderlich sein. Letzteres war ein verlockender Gedanke, der durch sein Gefühl, daß er richtig handelte, nur noch verstärkt wurde. Wer immer sie und was immer ihre Geschichte war, sie gehörte nicht zu diesem Volk, und Leutnant Christopher Ralston hatte den festen Vorsatz, sie zu ihrem eigenen zurückzubringen.
    »Sehen Sie dort, der Wachtposten, Sir.« Abdul Ali deutete auf ein kleines Lager vor ihnen zwischen den Felsen und lenkte Kit von seinen Träumereien ab. Eine einzelne Figur, mit der Jezail über der Schulter, stand dort und blickte auf den Pfad hinunter. »Es kann nicht mehr weit sein«, sagte der Havildar. »Sie scheinen eine Eskorte vorzubereiten.«
    Tatsächlich tauchten Reiter auf, leise und schattenhaft kamen sie zwischen den Felsen hindurch auf sie zu. Die Nomaden zeigten kein Interesse an der Eskorte, obwohl sie, ein wenig entfernt, das Tempo mit ihrer kleinen Prozession hielten. Kit hätte Ayesha gerne gefragt, ob es sich bei der Eskorte um eine normale Maßnahme handelte oder ob es zu Ehren der britische Armee geschah. Wußte Akbar Khan bereits von den unerwarteten Besuchern? Er trieb sein Pferd voran, bis es das Reittier ihres Begleiters berührte. Der Mann drohte mit seiner Gerte und knurrte etwas.
    »Ich möchte nur mit der Dame sprechen«, sagte Kit in verhaltenem Persisch, lächelte und nickte in lebendiger, unschuldiger Freundlichkeit, während er auf die verhüllten Umrisse Ayeshas wies, die direkt vor ihm ritt.
    »Eine Frage an Akbar Khan«, riskierte er einen neuen Versuch. Mit dem Namen schien eine gewisse Magie verbunden zu sein. Der Mann lenkte sein Pferd zur Seite und gestattete es Kit auf diese Weise, neben den grauen Araber zu gelangen.
    Ayesha blickte ihn nicht an. »Wir werden von jenen beobachtet, die bedeutend mehr Macht besitzen als diese Nomaden«, bemerkte sie ruhig. »Du solltest nicht mit mir sprechen.«
    »Wird Akbar Khan uns erwarten?« fragte er, dabei kaum seine Lippen bewegend und die Augen nicht von dem Pfad vor ihnen hebend. »Diese Wachtposten werden uns ankündigen?«
    »Ja, er wird es schon wissen. Er wird nicht wissen, wie oder warum du zu uns gestoßen bist, und ich glaube, er wird sein Urteil zurückhalten, bis er es weiß.«
    »Und wenn er sein Urteil nicht aufschiebt?«
    »Dann werdet ihr alle tote Männer sein.«
    Ihre Fähigkeit, eine so außerordentlich unangenehme Tatsache so trocken auszudrücken, empfand er sowohl als unweiblich wie auch als unfreundlich. Das traf natürlich nur zu, wenn er sie als Engländerin beurteilte. Für eine afghanische Frau war an einer solchen Einstellung nichts Herzloses, sondern einfach die nüchterne Beurteilung einer unter solchen Umständen normalen Lebensweise. Er ließ sich wieder zurückfallen und spürte das erste unangenehme Prickeln böser Vorahnungen auf seinen großartigen Rettungsplan.
    Das steinerne Fort tauchte mit einem Mal vor ihnen auf, als ob es über dem Engpaß, den sie gerade überquerten, in der Luft hinge, stolz auf einem Felsvorsprung am anderen Ende der engen Schlucht thronend.
    Die schattenhafte Eskorte schloß sich um Kit und seine Männer, still, bärtig, mit Turbanen gekleidet, und deutete keine Geste eines Grußes an. Sie ritten durch eine Ansammlung von Lehmhütten, die sich vor dem großen Eisentor der Festung zusammendrängten. Menschen traten vor die Türen und starrten die Fremden mit fast der gleichen lüsternen Neugier an, wie sie die Leute daheim den ungewöhnlicheren Darstellern auf dem Rummelplatz entgegenbrachten. Kit spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten und wie ein unangenehmes Prickeln seine
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