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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker
Autoren: Mario Livio
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einer Quadratzahl in Gestalt eines Gnomons – hier: 9 = 3 2 – zu einem Quadrat der Größe 4×4 ein neues Quadrat der Größe 5 × 5: 3 2 + 4 2 = 5 2 . Die Zahlen 3, 4, 5 können demnach die Seitenlängen in einem rechtwinkligen Dreieck repräsentieren. Ganze Zahlen, die diese Eigenschaft haben (als da zum Beispiel wären: 5, 12, 13, denn 5 2 + 12 2 = 13 2 ), nennt man «Pythagoreische Zahlentripel».

    Abbildung 3
    Wenige mathematische Sätze genießen denselben Bekanntheitsgrad wie der Satz des Pythagoras. Als die Republik Nicaragua im Jahr 1971 «die zehn mathematischen Gleichungen, die das Antlitz der Erdeverändert haben», als Motto für eine Briefmarkenserie wählte, zierte der Satz des Pythagoras die zweite Marke der Reihe (die erste zeigte «1 + 1 = 2») (Abbildung 5).

    Abbildung 4
    SATZ DES PYTHAGORAS: Benannt nach dem griechischen Mathematiker Pythagoras, besagt dieser Satz, dass in einem rechtwinkligen Dreieck, in dem a und b die Schenkel des rechten Winkels bilden und c die Länge der dem rechten Winkel gegenüberliegenden Hypotenuse ist, gilt: a 2 + b 2 = c 2 .
    «Du magst ja recht haben, Pythagoras … Aber jeder lacht dich aus, wenn du das Ding ‹Hypotenuse› nennst.»
    War Pythagoras wirklich der erste Mensch, der diesen wohlbekannten, ihm zugeschriebenen Lehrsatz formuliert hat? Einige der frühen griechischen Historiker waren mit Sicherheit dieser Ansicht. In einem Kommentar zu den
Elementen
– jener von Euklid (ca. 325–265 v. Chr.) verfassten umfassenden Abhandlung zur Geometrie und zur Zahlentheorie – schrieb der griechische Philosoph Proklos (ca. 411–485 n. Chr.): «Wenn wir auf jene hören, die sich gerne der alten Geschichte annehmen, werden wir einige finden, die diesen Satz demPythagoras zuschreiben und behaupten, er habe zu Ehren dieser Entdeckung zwei Ochsen geopfert.» Wie dem auch sei: Pythagoreische Zahlentripel lassen sich bereits auf einer babylonischen Keilschrifttafel mit der Bezeichnung Plimpton 322 finden, die in etwa aus der Zeit der Hammurabi-Dynastie (ca. 1900–1600 v. Chr.) stammen. Außerdem hat man geometrische Konstruktionen, die auf dem Satz des Pythagoras fußen, in Indien gefunden, und zwar im Zusammenhang mit der Errichtung von Altären. Diese Konstruktionen waren zum Beispiel auch dem Autor des Satapatha Brahmana (einem alten überlieferten indischen Schrifttext, der unter anderem vedische Rituale erläutert) wohlbekannt, der sein Werk mindestens ein paar hundert Jahre vor Pythagoras verfasst hat. Doch ob Pythagoras nun der Verfasser des Lehrsatzes war oder nicht, es besteht kein Zweifel, dass die allgegenwärtigen Verknüpfungen, die in den Augen seiner Anhänger Zahlen, Formen und das Universum harmonisch miteinander verwoben, die Vorstellung der Pythagoreer von einer metaphysischen Ordnung des Kosmos nährte.

    Abbildung 5
    Eine andere Vorstellung, die in der pythagoreischen Welt eine zentrale Rolle spielte, war die der
kosmischen Gegensätze.
Da die Gegenüberstellung von Gegensatzpaaren ein Grundprinzip der ionischen Wissenschaftstradition war, ist es nur natürlich, dass die ordnungsversessenen Pythagoreer sie übernahmen. Ja, Aristoteles berichtet uns, dass sogar ein Arzt namens Alkmaion, der in Kroton lebte, als Pythagoras dort seine berühmte Schule hatte, der Vorstellung anhing, dass alle Dinge eine «Zweiheitlichkeit aufweisen», das heißt durch gegeneinander gewichtete Gegensatzpaare charakterisiert sind. Das Hauptgegensatzpaar der Pythagoreer bestand in dem
Begrenzenden,
repräsentiert durch die ungeraden Zahlen, und dem
Unbegrenzten,
repräsentiert durch die geraden. Das Begrenzende ist die Kraft, die dem Ungezähmten, Grenzenlosen Ordnung und Harmonie bringt. Beides, die Komplexität des Universums im Großen wie auch die mikrokosmischen Feinheiten des menschlichen Lebens, sollten, so stellte man es sich vor, durch eine Reihe von Gegensätzen, die einander irgendwie entsprachen, charakterisiert und durch die Balance zwischen diesen gelenkt werden. Diese ein bisschen schlichte Schwarz-Weiß-Sicht der Welt spiegelt sich in einer Auflistung der zehn pythagoreischen Gegensatzpaare in der
Metaphysik
des Aristoteles:
    Grenze – Unbegrenztes Ungerades – Gerades
    Eines – Menge
    Rechtes – Linkes
    Männliches – Weibliches
    Ruhendes – Bewegtes
    Gerades – Krummes
    Licht – Finsternis
    Gutes – Böses
    Quadrat – ungleichseitiges Viereck
    Die Grundphilosophie, die sich in diesen Gegensatzpaaren ausdrückt, beschränkt sich
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