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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman
Autoren: Arena
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kümmerte, die Operation einleitete … und … und …«
    Quint Tempelhoff hielt inne, er sah aus, als wäre jedes einzelne Wort ein grausamer Kampf.
    »Und? Mein Gott, du machst es ja richtig spannend!« Tobias schlug Quint Tempelhoff auf den Rücken, eine joviale Geste, die grässlich missglückt wirkte.
    Solo zuckte zusammen, aber er schien mit dem Boden verwurzelt zu sein. Tobias sah auf seinen Vater hinab. »Na los, hast es doch fast geschafft«, sagte er auffordernd.
    »Als mich die Ärztin aus dem Wartezimmer holte«, fuhr Quint Tempelhoff fort, ohne sich aufzurichten, »war Tobias auf der Welt, aber deine Mutter war tot. Sie war an den Folgen der Geburt gestorben.«
    Quint Tempelhoffs Körper sackte nach vorn, es sah fast aus, als könnte er sich nicht mehr auf dem Stuhl halten.
    Solo rührte sich noch immer nicht und Tobias ballte seine Hand zur Faust. »An den Folgen der Geburt gestorben. Das klingt jetzt aber gar nicht so, wie es in deinem Computertagebuch stand. Komm, Vater, sag deinem Sohn Solo, wie du es in dein Tagebuch geschrieben hast. Los! Sag es ihm.« Die letzten Worte waren schneidend scharf.
    »Tobias hat sie umgebracht«, flüsterte Quint Tempelhoff. »Tobias hat meine Frau getötet. Wenn er nicht gewesen wäre, dann wäre Mirjam jetzt noch am Leben.«
    »Genau.« Tobias fixierte Solo, der einen sperrigen Laut ausstieß, und dann wandte er sich zu mir. »Das hat Quint Tempelhoff über mich in sein Tagebuch geschrieben. Du hast einen Mörder geküsst, Vera. Einen Muttermörder. Ich habe im stolzen Alter von nicht einmal einem Tag meine eigene Mutter getötet.« Tobias holte Luft, ein langer, tiefer Atemzug. »Und ein Mörder muss bestraft werden, nicht wahr?« Er schloss die Augen, schüttelte den Kopf, kurz und heftig, dann gab er sich einen Ruck.
    »Jedenfalls habe ich meine Strafe erhalten. Jetzt kommt nämlich Teil zwei der Geschichte.« Er nickte Tempelhoff zu. »Los! Erzähl weiter.«
    »Am nächsten Tag holte ich dich ab.« Quint Tempelhoff sah kurz zu Solo, gleich darauf senkte er wieder den Kopf. »Aber ich konnte … ich konnte Tobias nicht mitnehmen. Ich ließ ihn zurück.«
    Eine lähmende Stille erfüllte den Raum.
    »Und dann?«, hörte ich Solo flüstern. »Was geschah dann?«
    Tobias lachte, harte, trockene Töne. »Dann kam Teil drei. Soll ich jetzt erzählen? Ich mach es kurz.« Er zeigte mit dem Finger auf Solo. »Du kamst zu unserem Vater. Ich kam ins Heim. Du bist behütet aufgewachsen, ich weniger behütet. Zu einer Adoption hat es nie gereicht, aber das kann passieren. Genau wie das Pech, die falschen Freunde zu erwischen. Tobias hob seine Hand und zeigte uns ein kreisrundes Brandmal. »Mit Details will ich euch nicht langweilen, also weiter im Text. Dass meine Mutter tot war, hatte man mir erzählt, dass mein Vater lebte, ebenfalls. Sie wollten mir nur nicht sagen, wo. Ich dachte … « Tobias hielt inne. Was er gedacht hatte, erfuhren wir nicht. Es kam mir so vor, als überspränge er eine Stelle, die zu schmerzhaft war, um sie auszusprechen.
    »Als ich neun Jahre alt war«, fuhr er fort, »habe ich dann zum ersten Mal ein Bild von meinem Vater gesehen. Es war reiner Zufall. Der Artikel war in einer Zeitschrift, die die Erzieherinnen auf der Bank im Hof hatten liegen lassen. Ich hätte meinen Vater natürlich nie erkannt, aber du warst auch mit auf dem Foto.« Tobias nickte Solo zu. »Für einen Moment hab ich gedacht, dass ich es war. Aber du konntest schöner lächeln. Kein Wunder. Dazu hattest du ja auch mehr Gelegenheit.«
    Solo keuchte, während Tobias weitersprach – schneller, hastiger, atemloser.
    »Einen Artikel gab es auch. Dort wurde Quint Tempelhoff nicht nur als vielversprechender Nachwuchsregisseur, sondern auch als ein beispielloser Vater gelobt. Ich zitiere wörtlich: Als alleinerziehender Vater lebte er die ersten Jahre ganz und gar für seinen einzigen Sohn .«
    Tobias hielt inne und biss sich auf die Unterlippe. Für einen Moment kam er mir entsetzlich verloren vor.
    »Mit zwölf Jahren habe ich ihn dann besucht«, fuhr er fort. »Es war Abend, ich war aus dem Heim abgehauen, nachdem ich herausgefunden hatte, wo ihr wohnt. Eure Adresse hat damals sogar im Telefonbuch gestanden. So.« Tobias stieß Tempelhoff gegen die Schulter. »Jetzt bist du wieder dran. Erzähl deinem einzigen Sohn, was an dem Abend geschehen ist, als ich bei euch vor der Tür stand.«
    Solo hatte sich mittlerweile auf den Stuhl gesetzt. Er saß mit dem Bauch gegen die Lehne
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