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Irrweg Grundeinkommen

Irrweg Grundeinkommen

Titel: Irrweg Grundeinkommen
Autoren: Volker Meinhardt und Dieter Vesper Friederike Spiecker Heiner Flassbeck
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Zusammenhang nicht berücksichtigen, wie das mit der Umverteilung zugunsten der Unternehmen in den 1980er Jahren der Fall war, müssen scheitern. Steigende Produktivität fällt nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis eines erfolgreichen Wirtschaftsmodells; sie kann nicht einfach als für die Umverteilung gegeben vorausgesetzt werden.
    Steigende Produktivität wird zuweilen aber auch als Problem gesehen, weil man glaubt, sie mache menschliche Arbeit auf Dauer überflüssig; die menschenleere Fabrik ist ein beliebtes Symbol dieser Angst. Basierend auf dieser Angst, versuchte man in den 1980er Jahren forciert, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu verkürzen, um »ausreichend Arbeit für alle« zu haben. Aber auch dafür gibt es keine guten Argumente. Aus der Tatsache, dass in den letzten 30 Jahren Arbeitslosigkeit geherrscht hat, kann man jedenfalls nicht ableiten, die Produktivität steige zu stark, um genügend Arbeitsplätze zu erhalten. Nicht die Produktivitätszunahme ist das Problem, sondern die Umverteilung von unten nach oben. Denn Letztere hat dazu geführt, dass der Produktivität nicht genügend steigende Einkommen von solchen Bevölkerungsschichten gegenüberstanden, die gerne konsumieren wollten. Wer aus dem Anhalten der Arbeitslosigkeit schließt, man müsse die Wirtschaft einfach ohne Produktivitätszuwächse führen, um keine weiteren Arbeitsplatzverluste zu erleiden und die Wirtschaft obendrein ökologisch verträglich zu gestalten, ist auf dem Holzweg.
    Arbeitszeitverkürzung (AZV) kann man im Prinzip durchaus anstelle von Lohnerhöhungen wählen, um auf diesem Weg die Produktivität auszuschöpfen. Voraussetzung dafür ist aber, dass man den damit unweigerlich verbundenen Nachfrageausfall aufeine Weise kompensieren kann, dass die Investitionstätigkeit keinen Schaden nimmt. 72 Hinzu kommt, dass solche AZV auf keinen Fall für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit eingesetzt werden kann, wie die Gewerkschaften das lange Zeit anstrebten. Lohnerhöhungen sind in dieser Hinsicht allemal besser als AZV, um die Produktivität auszuschöpfen, weil dann ein Nachfrageausfall sehr unwahrscheinlich ist.
    Bei den Befürwortern der verschiedenen Modelle für ein Grundeinkommen gibt es offenbar eine große Angst vor dem Produktivitätsfortschritt. Sie glauben, dass die Gesellschaft zu wenig Arbeit hat, um alle beschäftigen zu können, und wollen daher einem extrem großen Teil des gesamten Arbeitskräftepotentials die Möglichkeit geben, AZV mit einem gewissen Lohnausgleich (eben dem Grundeinkommen) zu wählen. Ein Grundeinkommen, dessen Gesamtvolumen sich auf die Größenordnung von einer Billion Euro in Deutschland beläuft, bedeutet allerdings, dass ein Drittel der Gesamtproduktion der Volkswirtschaft schon verteilt wäre, bevor es produziert ist. Mit dem Grundeinkommen macht man also das Angebot, die Arbeitszeit, die diesem Produktionsdrittel entspricht, quasi stillzulegen, und hofft zugleich, dass dieses Drittel dennoch hergestellt wird. Denn dem umverteilten pekuniären Einkommen muss ja eine physische Produktion entsprechen. Das kann nur funktionieren, wenn nicht alle von dem AZV-Angebot Gebrauch machen. Anderenfalls liefe die pekuniäre Umverteilung nur auf Inflation hinaus. Hier liegt, wie wir oben gezeigt haben, das entscheidende Problem. Wer eine allgemeine Regel durchsetzen will, darf nicht im gleichen Moment darauf bauen, dass sie nicht allgemein angewendet wird.
    Man kann in einer Marktwirtschaft vieles tun, ohne dass das System daran kaputtgeht, weil es sehr flexibel ist. Aber eines kann man nicht tun: die Arbeitsteilung beziehungsweise ihre Vertiefung durch Spezialisierung in Frage zu stellen, indem man die Anreize explizit so setzt, dass sich Arbeitsteilung für einige weniger lohnt als Autarkie plus Unterstützung von außen. Denn auf Dauer nimmt der Kreis dieser »einigen« zwingend zu, so dass dieArbeitsteilung systematisch zurückgeht. Zu hoffen, die Ergebnisse der vertieften Arbeitsteilung weiter in voller Höhe genießen zu können, ist illusionär. Alle Berechnungen zur Finanzierbarkeit verschiedener Grundeinkommensmodelle gehen aber genau von dieser Illusion aus. Doch Leistung und Gegenleistung lassen sich in einer Marktwirtschaft nicht einfach beliebig trennen. Alle diejenigen, die zu dem Ergebnis der Arbeitsteilung in Form einer großen realen Produktion beziehungsweise eines hohen Volkseinkommens beitragen, verlieren aufgrund ihrer Spezialisierung die Fähigkeit, sich aus eigener
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