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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Bei extrem mühsamen Ausprägungen könnte man auf den Gedanken kommen, das seien Menschen, die der liebe Gott geschaffen hat, damit wir uns aufs Paradies noch freuen können. Doch genug mit den Vorurteilen. Denn wenn man einmal verstanden hat, wie manch ein irritierender oder gar abstoßender Widerling, manch eine merkwürdige Nervensäge, manch ein skurriler Sonderling, so geworden ist, wie er jetzt ist, bietet sich ein anderes Bild. Denn die Aversionen und Irritationen, die er bei uns im ersten Moment hervorruft, löst er ja bei all seinen Mitmenschen immer wieder aus, und das lassen sie ihn natürlich spüren. Ein solches Leben muss sehr mühsam sein und so kann man plötzlich diese Menschen verstehen und sogar Mitleid mit ihnen haben. Daher ist Psychopathie eigentlich ein einfühlsames Wort, das das Leiden dieser manchmal etwas anstrengenden Menschen in den Vordergrund stellt.
     
    Denn jeder Mensch hat ja so seine Auffälligkeiten. Das ist auch gut so und man darf das nicht gleich als krank oder krankheitswertig diskriminieren. Doch es gibt erfahrungsgemäß so extreme Ausprägungen von Persönlichkeitsauffälligkeiten, dass die Menschen selbst oder ihre Umgebung sehr darunter leiden. Erst dann ist eine Diagnose gerechtfertigt. Psychopathen sind unter allen, die psychische Störungen haben, den Normalen am ähnlichsten. Deswegen hassen die Normalen sie vielleicht mit besonderer Inbrunst. Psychopathen stören mit ihren schrillen, in ganz verschiedene Richtungen gehenden Auffälligkeiten das normale langweilig vor sich hinplätschernde Leben. Das macht die Normalen besonders aggressiv. Und so gehen die Normalen
mit dem Wort »Psychopath« ausnehmend gehässig um. Sie machten aus dem Heilmittel ein Kampfmittel und versuchten sich gegenseitig mit dem Wort »Psychopath« zu verletzen. Da war dieses gute Wort für seinen eigentlichen Zweck schließlich nicht mehr verwendbar, und so sprechen wir heute lieber von »Persönlichkeitsstörungen«, was leider viel zu technisch klingt. Persönlichkeitsstörungen sind im Grunde von Kindheit an bestehende, vergleichsweise extreme Persönlichkeitseigenarten, die Leid hervorrufen. Es sind für die Betroffenen selbst und für die Umgebung mühsame Auffälligkeiten, die im Strickmuster von Menschen begründet sind. Ein solches Strickmuster kann man natürlich nicht grundsätzlich ändern. Psychotherapie kann aber erfolgreich dabei helfen, mit dieser Charaktereigenart besser umzugehen, sich vielleicht Lebensbereiche zu erschließen, in denen man damit nicht unangenehm, sondern eher angenehm auffällt, und schließlich auftretende Krisen besser zu bewältigen.
     
    Der »hysterisch«, »histrionisch«, »geltungsbedürftig«, »demonstrativ«, »extrovertiert«, oder wie die mehr oder weniger gleichbedeutenden Worte sonst noch heißen, gestörte Mensch mag mit seinem zum kreativen Chaos neigenden Charakter in einem Archiv völlig fehl am Platz sein und den Archivdirektor in den Wahnsinn treiben - was, wie wir wissen, ja nicht geht, Verzweiflung muss also reichen. Auf der Bühne dagegen mag der gleiche Mensch glanzvolle Erfolge feiern zu seinem eigenen und des Publikums Vergnügen. Da kann eine gute Arbeitsplatzberatung die beste Therapie sein. Umgekehrt mag ein »zwanghafter«, »anankastischer«, übertrieben ordnungsliebender Mensch der reinste Segen für ein Archiv oder für die Buchhaltung sein. Doch wenn er mit seiner korrekten, umständlichen und staubtrockenen Art eine Bühne betritt, dann erschießt sich der Regisseur und das Publikum rennt aus dem Theater.
     
    Es gibt dann noch die ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung, die extreme Form des »Angsthasen«, die »abhängige« Persönlichkeitsstörung, zum Beispiel das ewige
Muttersöhnchen, die stets misstrauische »paranoide« Persönlichkeitsstörung, die »schizoide«, die gar nichts mit Schizophrenie zu tun hat, sondern nur ein bisschen sehr eigenbrötlerisch ist. Schließlich die »dissoziale« Persönlichkeitsstörung, die mit ihrem rücksichtslosen Verhalten vor allem die Gerichte beschäftigt und von der viele sagen, sie entziehe sich jeder aussichtsreichen Behandlung. Auf diesem Feld haben Psychiater ganz unterschiedliche Unterteilungen vorgeschlagen. Bei der hier vor allem verwendeten Einteilung nach dem derzeit gültigen Schema der Weltgesundheitsorganisation, dem ICD-10, fehlt dann nur noch die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus und
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