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Interwelt

Interwelt

Titel: Interwelt
Autoren: Isidore Haiblum
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ihnen hochzukommen, hätte ich eine Leiter gebraucht. Eine Tür war nicht zu sehen. Ich bog um die Ecke, mit dem Lampenschein auf den Boden gerichtet, fand ich an der anderen Hausseite einen Kohlenschacht. An zwei Seiten war er mit einem Vorhängeschloß gesichert. Ich wartete bis zum nächsten Blitz. Meine Pistole knallte gleichzeitig mit dem Donner, dann war das Gitter offen, und ich rutschte die Rampe hinunter. Ich schlich durch den Keller und die Treppe hoch. Der Korridor im Parterre, den ich bereits kannte, war hell beleuchtet, aber nichts rührte sich. Ich hastete auf den Zehenspitzen zum ersten Stock. Auf dem Gang hier brannte kein Licht. Leise öffnete ich Tür um Tür und spähte in nichts als leere Zimmer. Also stieg ich zum zweiten Stock hoch. Vorsichtig leuchtete ich den ebenfalls dunklen Korridor entlang und stiefelte los. Plötzlich spürte ich einen Laut mehr, als daß ich ihn hörte. Ich sprang zur Seite.
    Etwas traf mich heftig an der rechten Schulter – eine Sekunde früher wäre noch mein Kopf an dieser Stelle gewesen. Ich ließ die Taschenlampe fallen, und sie ging aus. Als etwas an meinem rechten Ohr vorbeistreifte, warf ich mich auf den Boden, und mein Fuß schlug gegen etwas, das brummte. Ich schob mich in diese Richtung und bekam zwei Füße zu fassen, was mir allerdings einen Tritt in die Rippen einbrachte.
    Mit aller Kraft zog ich an den Füßen, bis jemand fluchend neben mir landete. Meine Fäuste knallten gegen etwas – ein Gesicht. Prankengleiche Hände legten sich um meinen Hals und quetschten, als wäre ich eine Zitrone. Sterne funkelten vor meinem inneren Auge. Ich bekam zwei kleine Finger zu fassen und drehte sie. Plötzlich ließen die Hände mich los, und ich bekam wieder Luft. Ich stieß meinen Fuß in einen Bauch, der zurückwich. Schnell rollte ich mich herum und fummelte nach meiner Pistole. Ich hatte mich auf ein Knie gestemmt, als irgendwo auf diesem Korridor eine Frau gellend schrie.
    Das Licht ging an. Waldorf, der Wärter, stand am Lichtschalter. Von unserer kleinen Balgerei war sein Gesicht blutig. Er blickte nicht in meine Richtung – und ich konnte es ihm nicht verdenken. Dort, wo er hinsah, stand die größte und häßlichste menschliche Kreatur, die ich je gesehen hatte. Sie war bestimmt zweieinviertel Meter groß und aus Muskeln und Knochen.
    Was wie eine Puppe von seinen Armen baumelte, waren die sterblichen Überreste der Schwester.
    Waldorf stöhnte und ging auf die Kreatur los. Das hätte er nicht tun sollen. Zwar war auch er ein kräftiger Mann, doch verglichen mit dem Riesen ein Zwerg. Das Ungeheuer ließ die Tote fallen und packte mit einer Hand Waldorfs Arm.
    Waldorf schrie. Der Riese hob ihn mühelos hoch und warf ihn an die Wand, als wäre er ein Ball. Als er davon abprallte, fing er ihn auf, hob ihn hoch über den Kopf und schmetterte ihn auf den Boden. Das war das Ende des Wärters.
    Und jetzt wandte das Ungeheuer seine Aufmerksamkeit mir zu. Ich kauerte auf einem Knie wie angenagelt. Nicht einmal meinen Mund konnte ich schließen.
    Der Riese blickte mich stumpf an, und seine Lippen bewegten sich. »Lugo richten«, sagte er und kam geradewegs auf mich zu.
    Meine Finger zitterten so sehr, daß ich die Pistole kaum halten konnte. Fünf Kugeln schoß ich ihm in den Bauch. Er schien es überhaupt nicht zu bemerken, nicht einmal mit einer Wimper zuckte er, als er immer näherkam.
    Da war er auch schon fast über mir. Ich hob die Pistole und feuerte ein letztesmal. Ich traf sein linkes Auge. Mit dem rechten blickte er mich geradezu vorwurfsvoll an, und dann stand er da, als überlegte er, was er mit mir tun sollte.
    Plötzlich kippte er um. Gerade noch, daß ich ausweichen konnte. Als ich mich endlich auf die Füße kämpfte, glaubte ich, meine Beine seien aus Gummi, trotzdem schleppte ich mich zur Treppe. Ich wollte sie hinuntersteigen und nichts als weit fort von hier, da sah ich einen Fuß aus einer halbgeöffneten Tür ragen. Ich schwankte dorthin, um zu sehen, wem er gehörte.
    Verrenkt auf dem Boden lag ein kleiner, dürrer Mittvierziger mit sandfarbenem Haar und Brille. Die Brille würde er bestimmt nicht mehr brauchen, denn sein Schädel war zerschmettert. Ich hatte Joe Rankin gefunden, aber er war mausetot.
     
    DENK DARAN: DER ERSTE EINDRUCK KANN VÖLLIG TÄUSCHEN. ANALOGIEN SIND ZAHLREICH, ANACHRONISMEN NEHMEN ÜBERHAND. DOCH AUS ALTERNATIVER SICHT IST ALLES GENAU, WIE ES SEIN SOLL. GLÜCKLICHERWEISE GIBT ES HIER, WO ICH BIN, KEINE WELTEN, UND ICH
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