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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit
Autoren: Cordwainer Smith
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von dem Verdacht einmal abgesehen, daß der alte Mann womöglich an einem Herzfehler litt und einem Infarkt zum Opfer fallen konnte.
    Der FBI-Beamte brauchte achtzehn statt zweiundzwanzig Minuten, um einzutreffen. Er brachte eines von diesen neuen, kompakten, hübschen kleinen Geräten mit, die ich gern zu Hause stehen hätte. Man kann sie fast überall unterbringen. Und ihre Tonqualität ist perfekt.
    Der alte Mann strahlte, als er feststellte, daß wir nicht zuviel versprochen hatten.
    »Geben Sie mir die Kopfhörer und lassen Sie mich einfach reden, während Sie aufnehmen. Ich werde versuchen, alles wiederzugeben. Sie werden nicht die Stimme meines Bruders, sondern meine Stimme hören. Können Sie mir folgen?«
    Wir schalteten das Tonbandgerät ein.
    Er setzte die Kopfhörer auf und diktierte.
    Das ist die Botschaft. Und mit ihr habe ich meine Geschichte begonnen.
    Komisch, komisch, komisch. Es ist wirklich komisch, komisch, komisch, ohne ein Gehirn zu denken – es ist wie ein Trick und doch kein Trick, ohne ein Gehirn zu denken. Sprechen fällt noch schwerer, auch wenn es möglich ist.
    Nels, hier ist Tice. Ich bin tot.
    Nels, ich weiß nicht, ob ich mich im Himmel oder in der Hölle befinde, aber ich glaube, es ist die Hölle, Nels. Und ich bin dabei, euch den größten Streich zu spielen, den sich je ein Mensch ausgedacht hat. Und es ist komisch, ich bin ein amerikanischer Armeeoffizier, und ich bin tot, und es ist vollkommen gleich. Nels, verstehst du? Es ist nicht wichtig, ob man nun ein Amerikaner oder ein Russe oder ein Offizier oder keiner ist, wenn man nicht mehr lebt. Und selbst das Lachen ist nicht mehr wichtig.
    Aber genug ist mir geblieben, Nels, genug von meinem alten Ich, so daß ich vielleicht zum letzten Mal mit dir und den anderen herzhaft lachen kann.
    Ich habe keinen Körper mehr, mit dem man lachen kann, Nels, und ich habe keinen Mund mehr und keine Wangen, um zu lächeln, und ich bin nicht mehr ich selbst. Tice Angerhelm hat sich verändert, Nels. Ich bin tot.
    Ich wußte, daß ich tot war, als ich die Veränderung spürte. Es war angenehmer, tot zu sein, entspannter. Nichts beengte mich mehr.
    Das ist das Problem, Nels. Alles ist leer. Man spürt die Welt nicht mehr, man sieht sie nicht mehr, und dennoch weiß man alles über sie. Man weiß über alles Bescheid.
    Es ist schrecklich einsam hier, Nels. Einige Winkel gibt es, in denen man sich nicht einsam fühlt, einige seltsame kleine Winkel voller Freundschaft und Bewegung.
    Nels, es ist, als ob Kätzchen über die Gesichter von Kindern krabbeln oder wie der Duft des Windes an einem schönen Tag. Es sind die Sekunden, in denen man sich selbst verloren und nicht über sich nachgedacht hat.
    Es sind die Augenblicke, in denen einen nach nichts verlangt und in denen man doch Wünsche hat.
    Es ist das, was man nicht ablehnt, das, was man nicht haßt, was man nicht fürchtet und was man nicht verhöhnt. Das ist es, Nels, das ist die gute Seite des Todes. Und ich nehme an, es gibt Leute, die es Himmel nennen würden. Und ich denke, du wirst in den Himmel kommen, wenn du nur jeden Tag in deinem normalen Leben dir angewöhnst, im Himmel zu leben. Das ist es. Der Himmel ist dort, Nels, in deinem normalen Leben, jeden Tag, Tag für Tag, genau in dir.
    Aber ich habe etwas anderes bekommen. Oh, Nels, ich bin Tice Angerhelm, in Ordnung, ich bin dein Bruder, und ich bin tot. Das, wo ich bin, kannst du Hölle nennen, denn es ist alles, was ich gehaßt habe.
    Nels, es riecht nach allem, was ich je gewollt habe. Es riecht so, wie das Heu gerochen hat, als ich noch meinen alten Willys-Sportwagen fuhr und zum ersten Mal mit einem Mädchen schlief, damals, an jenem Abend im August. Du kannst sie fragen. Sie heißt jetzt Mrs. Prai Jesselton. Sie lebt drüben im Osten von St. Paul. Du hast nie erfahren, daß ich mit ihr geschlafen habe, und wenn du es nicht glaubst, kannst du sie fragen.
    Und verstehst du, ich bin irgendwo, und ich weiß nicht, was für eine Art Irgendwo das ist.
    Nels, ich bin es, Tice Angerhelm, und ich schreie dies lauthals hinaus mit dem, was ich als Ersatz für meinen Mund bekommen habe. Ich werde so laut schreien, daß es bis zu diesem dummen, albernen, sowjetischen Apparat durchdringt und zurück zur Erde gelangt. B RINGT DIESE B OTSCHAFT N ELSON A NGERHELM , 2322 R IDGE D RIVE , H OPKINS , M INNESOTA . Und ich werde das mehrmals wiederholen, damit du erfährst, daß dein Bruder spricht und daß ich irgendwo bin, nicht im Himmel und nicht
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