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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit
Autoren: Cordwainer Smith
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…«
    Karper schnitt ihm das Wort ab. »Sei still.« Er drehte sich zu seinem eigenen Arzt herum und deutete auf Rogow. »Weck ihn auf.«
    Der Arzt aus Moskau sprach kurz mit dem älteren Militärarzt. Auch er begann den Kopf zu schütteln. Er warf Karper einen verstörten Blick zu. Karper wußte, was er hören wollte. »Mach weiter«, sagte Karper. »Ich weiß, daß er in Gefahr schwebt, aber ich brauche einen Bericht für Moskau.«
    Die beiden Ärzte machten sich an Rogow zu schaffen. Einer von ihnen verlangte nach seiner Tasche und gab Rogow eine Injektion. Dann traten sie vom Bett zurück.
    Rogow krümmte sich in seinem Bett. Er verkrampfte sich. Seine Augen waren geöffnet, aber er sah sie nicht. Mit kindlich klaren und einfachen Worten begann Rogow zu sprechen: »… diese goldene Gestalt, die goldenen Stufen, die Musik, bringt mich zurück zur Musik, ich will bei der Musik sein, ich bin die Musik …« und so weiter, in endloser Monotonie.
    Cherpas beugte sich über ihn, so daß ihr Gesicht direkt in seinem Blickfeld war. »Mein Liebling! Mein Liebling, wach auf. Dies ist ernst.«
    Es war offensichtlich, daß Rogow sie nicht hörte, denn er fuhr fort, von goldenen Gestalten zu murmeln.
    Zum ersten Mal in all den Jahren ergriff Gauck die Initiative. Er wandte sich direkt an den Mann aus Moskau, an Karper. »Genosse, darf ich einen Vorschlag machen?«
    Karper starrte ihn an. Gauck nickte Gausgofer zu. »Wir beide sind auf Befehl des Genossen Stalin hier. Sie ist meine Vorgesetzte. Sie trägt die Verantwortung. Mir obliegt nur die Überwachung.«
    Der Stellvertretende Minister wandte sich an Gausgofer. Gausgofer hatte Rogow angesehen, der auf dem Bett lag; ihre blauen, wäßrigen Augen waren tränenlos, und ihr Gesicht war zu einer Grimasse extremer Anspannung verzogen.
    Karper ignorierte dies und fragte mit fester, klarer, befehlender Stimme: »Was schlägst du vor?«
    Gausgofer blickte ihn offen an und erwiderte beherrscht: »Ich glaube nicht, daß es sich in diesem Fall um einen Gehirnschaden handelt. Ich nehme an, er hat Kontakt mit einem anderen menschlichen Wesen bekommen, und wenn ihm keiner von uns folgt, werden wir keine Antwort erhalten.«
    »Sehr gut«, bellte Karper. »Aber was sollen wir tun?«
    »Laß mich ihm folgen – mit der Maschine.«
    Anastasia Cherpas begann verschlagen und irrwitzig zu lachen. Sie drückte Karpers Arm und deutete mit ihrem Finger auf Gausgofer. Karper sah sie an.
    Cherpas Gelächter brach ab, und sie rief Karper zu: »Die Frau ist verrückt. Seit vielen Jahren ist sie in meinen Mann verliebt. Sie hat meine Gegenwart gehaßt, und nun meint sie, ihn retten zu können. Sie glaubt, daß sie ihm folgen kann. Sie glaubt, daß er sich mit ihr verständigen will. Das ist lächerlich. Ich werde das selbst übernehmen!«
    Karper blickte sich um. Er wählte zwei Männer aus seiner Begleitung und begab sich in eine Ecke des Raumes. Sie konnten ihn flüstern hören, aber nicht die Worte verstehen. Nach sechs oder sieben Minuten Diskussion kehrte er zurück.
    »Ihr habt gegeneinander ernste Sicherheitsvorwürfe erhoben. Ich muß feststellen, daß eine unserer besten Waffen, Rogows Gehirn, zerstört ist. Rogow ist nicht nur ein Mensch. Er ist ein sowjetisches Projekt.« Verachtung schlich sich in seine Stimme. »Ich habe festgestellt, daß ein führender Sicherheitsoffizier, eine Polizistin mit einem bemerkenswerten Ruf, von einer sowjetischen Wissenschaftlerin aufgrund törichter Leidenschaften beschuldigt wird. Ich mißbillige derartige Beschuldigungen. Die Entwicklung des sowjetischen Staates und die Arbeit der sowjetischen Wissenschaft darf nicht durch persönliche Auseinandersetzungen behindert werden. Genossin Gausgofer wird ihm folgen. Und zwar heute nacht, da mein Stabsarzt befürchtet, daß Rogow nicht mehr lange leben wird – und es ist überaus wichtig für uns, herauszufinden, was ihm zugestoßen ist und warum.«
    Er richtete seinen unheilvollen Blick auf Cherpas. »Du wirst nicht dagegen protestieren, Genossin. Dein Verstand ist das Eigentum des russischen Staates. Die Arbeiter haben dir dein Leben und deine Ausbildung bezahlt. Du kannst nicht aus persönlichen Sentiments diese Dinge fortwerfen. Wenn es etwas herauszufinden gibt, dann wird die Genossin Gausgofer es für uns beide herausfinden.«
    Die ganze Gruppe begab sich wieder in das Laboratorium. Die furchterfüllten Techniker wurden aus den Baracken herbeigeholt. Die Lampen wurden eingeschaltet und die Fenster
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