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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Autoren: Martha Grimes
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Macenery spielte.
    «Was spielt er jetzt, Wiggins?»
    «Ich hab das immer nur auf dem Klavier gehört», sagte Wiggins düster. «Es heißt Pavane für eine tote Prinzessin. »
    «Ach», erwiderte Jury nur.
    Nach weiteren zehn Minuten, als Jury schon dachte, er habe sich wohl getäuscht und diese Nacht werde doch nichts mehr passieren – hörte er das Piepsen seines Sprechfunkgeräts. Er drückte auf den Knopf und vernahm die ruhige Stimme des Sergeant auf der Treppe; der Betreffende sei gerade gesichtet worden.
    Ein paar Minuten später hörten sie die ersten Klänge des Lieds, das Macenery als Zeichen hatte spielen wollen, ein Lieblingslied von Katie: «Don’t Cry for Me, Argentina».
    Jetzt mußte der Mann nur noch das Collier aus seinem Versteck holen. Jury ließ ihm drei Minuten Zeit, dann gab er Graham und dem andern Kriminalbeamten ein Zeichen. Tyrrwhit hatte sich im Gang postiert und lauschte ostentativ der Musik; dann setzte er sich in Bewegung und folgte dem Verdächtigen in respektvollem Abstand.
    Jury hörte Tyrrwhits Befehl: «Nicht rühren, Kumpel!»
    Die neben dem Gitter kauernde Gestalt erstarrte und blickte von Tyrrwhit, der mit entsicherter Pistole hinter ihm stand, zu den andern, die sich über ihn beugten und auf ihn herabblickten.
    «Hallo, Peter», sagte Jury.
    Peter Gere hielt das Taschentuch mit dem Collier in der Hand und sagte: «Verdammt, ich hätt’s mir denken können. Als ich dieses verdammte Lied hörte, da hätt’s bei mir ticken müssen. Sie hat genau dasselbe Lied gespielt an dem verdammten Nachmittag.»
    Jury wußte nicht, wo Cyril Macenery war. Die Musik hatte aufgehört. Er war jedoch froh, daß Macenery das nicht hörte.
    Kriminalinspektor Graham belehrte Gere mit eisiger Stimme über seine Rechte. Der Dorfpolizist – einer von diesen Männern, deren Unbestechlichkeit schon legendär ist. Graham hätte offensichtlich gern weiter an diesen Mythos geglaubt.
    Jury fragte: «Warum haben Sie Katie O’Brien getötet, Peter? Dachten Sie, sie hätte den Plan entschlüsselt?»
    «Ich hab sie nicht getötet. Nur etwas unsanft angefaßt.»
    Jury schwieg.
    «Sie hat ihn beim Putzen gefunden. Ich Idiot hatte vergessen, die Schreibtischschublade abzuschließen. Ein neugieriges Ding, diese Kleine. Blödsinnigerweise hab ich viel zu heftig reagiert. Sie sah mich komisch an und ging. Aber sie ist wieder zurückgekommen und hat ihn sich geschnappt, indem sie die Schublade von der andern Seite herausnahm. Jedenfalls durfte sie mich nicht in Wembley Knotts sehen.»
    «Und um die Leute von Katies Unfall abzulenken, haben Sie diese Briefe geschrieben?»
    «Hat doch prima geklappt, oder? Umgebracht hab ich sie jedenfalls nicht. Sie liegt im Krankenhaus.»
    «Sie ist tot.»
    Gere erblaßte. Jury wußte, daß er seine Trümpfe ausspielen mußte, solange Gere noch an diesem Brocken kaute. «Und Cora Binns – wußten Sie, daß sie Trevor Trees Freundin war? Oder hat sie den Schmuck der Kenningtons getragen?»
    Fast wie ein Blinder starrte ihn Gere an. «Ich wußte nur, daß er eine Freundin hatte. Männer wie Trevor Tree haben doch immer irgendwelche Weiber», fügte er hinzu. «Wirklich idiotisch, ihr diese Ringe zu geben. Sie stieg aus dem Bus und fragte nach Stonington. Sie sagte, sie müsse mit Lady Kennington sprechen. Woher, zum Teufel, sollte ich wissen, was sie mit ‹sprechen› meinte. Ich wußte nicht, wieviel sie wußte, wieviel Trevor ihr erzählt hatte. Jedenfalls stand sie mit all dem Schmuck behangen vor mir, den Kenningtons Witwe garantiert wiedererkannt hätte – durch Zureden allein hätte ich die Ringe wohl kaum von ihren Fingern gekriegt.»
    Er stieß das hervor, als hätte er nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung; dann schien er jedoch zu merken, wieviel er preisgab.
    «Und Ramona Wey?»
    Gere antwortete nicht.
    Jury dachte, vielleicht ließe sich an Geres Eitelkeit appellieren. «War bestimmt nicht einfach, Trevor Trees Vertrauen zu erringen?»
    «Daß ich nicht lache – ganz im Gegenteil, würde ich sagen.» Er verstummte wieder.
    «Schafft ihn weg», sagte Jury und wandte sich ab.
    Mit falscher Herzlichkeit sagte Kriminalinspektor Graham: «Schön, Mr. Gere. Wollen wir die Bahn nehmen?» Jury wußte, daß er sich nur einen Spaß erlaubt hatte, aber der Spaß kam nicht an.
    Graham wollte Peter Gere gerade die Handschellen anlegen, als ein Zug hielt und ein paar Fahrgäste ausstiegen – eine unglücklich aussehende Frau mit Haaren bis zur Hüfte und einem weiten
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