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Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Titel: Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Autoren: Caroline Graham
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ihren eigenen Gefühlen. Zuunterst lag ein kleiner, zugeklebter Umschlag, auf dem ihr Name stand. Mit diesem Brief bat er um Vergebung. Der Schreiber war sich darüber im klaren, daß seine Zuneigungsäußerungen nicht willkommen waren, aber nun, da er nicht mehr unter den Lebenden weilte, konnte seine Liebe vielleicht im nachhinein angenommen, akzeptiert werden. Er wünschte ihr alles Glück der Welt. Sie war die einzige, unverdiente Freude seines Lebens, und er war stets ihr ergebener Vater gewesen.
      Sylvie hielt das Blatt Papier lange in der Hand. Saß vollkommen reglos auf dem Bett, bis das Zimmer im Dunkeln lag, bis ihr Profil sich wie ein Scherenschnitt gegen den orangeroten Schein der Straßenlaternen abzeichnete. Sie fühlte sich in die Enge getrieben, merkte, wie Wut in ihr aufstieg bei der Erinnerung an die Jahre der Entfremdung. Der Brief und der herzzerreißende Berg Andenken warfen ein anderes Licht auf die Beachtung, die er ihr geschenkt hatte, auf seine Bemühungen, die sie früher als gehässig und autoritär empfunden hatte. Sie entsann sich, wie er in einem Türeingang gegenüber ihrer Wohnung gelauert und versucht hatte, sich zu verstecken, wenn sie herauskam, während sie sich lautstark über sein Verhalten beklagt hatte.
      Nun fragte sie sich, was an seinem Verhalten eigentlich so schlimm, so unerträglich gewesen war. Er hatte sie vernachlässigt, wie das zweifellos zahllose andere vielbeschäftigte Väter auch taten. Später versuchte er, diesen Fehler wiedergutzumachen, und übertrieb dabei so sehr, wie er das in allen anderen Lebensbereichen auch tat, seiner Natur entsprechend. Das Blatt Papier in den zitternden Händen haltend, wunderte sich Sylvie, wie leicht es ihr gefallen war, ihm gegenüber ihr Herz zu verschließen.
      Der Meister hatte einmal gesagt: »Wagt den Versuch, euch in der Ewigkeit kennenzulernen.« Sie hatte erst gar nicht versucht, ihren Vater kennenzulernen. Jetzt blieb ihr nur noch dieser Brief und die Möglichkeit, über all die verpaßten Gelegenheiten zu lamentieren. Diese Gedanken setzten ihr so sehr zu, daß sie das Hotel verließ, um durch die umliegenden Straßen zu spazieren. Gelbes Laub säumte die Bürgersteige. Ihre Umgebung, die Menschen, denen sie begegnete, nahm sie kaum wahr. Kurz ruhte sie sich auf einer Bank aus, ehe sie mit schnellen Schritten weitermarschierte. Erst als sie völlig erschöpft war, kehrte sie in ihr Hotel zurück und legte sich schlafen. Einmal ging sie in den Park und verbrachte den ganzen Nachmittag versteckt hinter Büschen, bemüht, an nichts zu denken, nur langsam und regelmäßig zu atmen, wie man es sie gelehrt hatte, doch ohne Erfolg. Linderung war ihr nicht beschieden. Reue, jenes erstickende und sterile Gefühl, bemächtigte sich ihrer, raubte der Gegenwart Licht und Wärme, verweigerte ihr die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
      Des öfteren kam sie an Eccleston Square 58 vorbei. Irgendwann fiel ihr auf, daß dort die Buddhistische Gesellschaft ansässig war. Weitere Wochen verstrichen, ehe sie läutete und die glänzende schwarze Tür öffnete. Nach dem ersten Besuch schaute sie fast jeden Nachmittag vorbei, verbrachte etwas Zeit in der Bibliothek, las und genoß vor allem die Stille. Anfänglich vermied sie es, die geschnitzte Rupa anzusehen, die sie an die groteske Auseinandersetzung auf Manor House erinnerte. Doch je öfter sie kam, desto heimischer fühlte sie sich. Allmählich verblaßten die Bilder der Vergangenheit.
      Sie begann den samstäglichen Meditationskurs zu besuchen und schloß sich der wöchentlich stattfindenden Diskussionsgruppe an, zu der einmal Thannisara, eine buddhistische Nonne, eingeladen wurde. Deren Aura konzentrierter Aufmerksamkeit, ihre Grazie, Warmherzigkeit und die Tatsache, daß sie so häufig lachte, all das faszinierte Sylvie. So beschloß sie, ein paar Tage in Amaravati zu verbringen, einem buddhistischen Kloster unweit von Great Gaddesden, dem die Nonne angehörte.
      Nach mehreren Aufenthalten dieser Art kaufte sie in der Nähe ein kleines Cottage, verbrachte viel Zeit in Amaravati und wuchs nach und nach in die Rolle der weltlichen Helferin hinein. Sie machte sich in der Küche oder den Gärten nützlich. Am Tag der offenen Tür half sie, sich um die Kinder zu kümmern. Mit der Zeit verschmolz ihr Innen- und Außenleben harmonisch mit dem der spirituellen Gemeinschaft, was ihr eine gewisse Zufriedenheit verschaffte.
      Einmal pro Woche traf sie sich zu einem
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