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Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende

Titel: Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
Autoren: Caroline Graham
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Lippen in leuchtendem Granatapfelrot. Augenlider leuchteten in grellem Grün, das in Himmel- und Pflaumenblau überging und ab und an silbern abgetupft wurde. Es kam durchaus vor, daß ihr Teerosenteint gar nicht zur Geltung kam: Hin und wieder vergaß sie - abgelenkt von ihrem ganz und gar unweltlichen Ansinnen -, daß sie schon Make-up aufgelegt hatte, und trug eine zweite Lage auf, das sie hinterher großzügig mit Coty American Tan abpuderte.
      Nach dem letzten Bogenstrich legte sie die Hand auf die Saiten, um die Vibration zu dämpfen. Gibt es ein anderes Instrument, überlegte sie, eine andere Kreatur, die so elegant grunzen konnte? Kurz legte sie die Wange auf das glänzende Holz und hinterließ darauf einen pfirsichbraunen Puderabdruck, ehe sie das Cello an ihren Stuhl lehnte und in ihrem aufbauschenden Stoffmeer aus Kattun zum Fenster hinüberschwebte.
      Dort harrte sie aus, fixierte die Zeder und bemühte sich darum, an jener vom Glück durchdrungenen Stille festzuhalten, die sie beim Musizieren befiel. Doch kaum hatte sie von diesem Zustand Notiz genommen, verwandelte sich Glück in Freude und Zufriedenheit in einen beklagenswerten Mangel an Muße. Mit einem leisen Seufzer zwang sich May - aus Gründen der Entspannung -, an ihren letzten Farbenworkshop unter dem Titel »Ein Regenbogen liegt auf Ihrer Schulter« zu denken, der überbucht gewesen und bei den Teilnehmern sehr gut angekommen war. Leider bescherte die Überlistung der eigenen Natur ihr nur einen Teilerfolg. Bilder von gutgelaunten Teilnehmern, die alle aquamarin dachten, verblaßten, obgleich sie daran festzuhalten suchte, und ein Schatten von Angst trat an ihre Stelle. Sie mußte sich eingestehen, daß sie sich heute nicht auf ihre bevorstehende Rückführung freute, was oftmals eine äußerst anregende Erfahrung war.
      May legte gesteigerten Wert auf positives Denken. Für Menschen, die - wie sie es nannte - »herumjammerten«, brachte sie nicht sonderlich viel Geduld auf. Sich über dieses oder jenes beklagten, sich weigerten, das Problem am Schopf zu packen oder es zu lösen. Aus solch einem Verhalten ließ sich in ihren Augen nur ein Mangel an Rückgrat ableiten. Jetzt verfuhr sie schon genauso. Und ganz ohne Grund, denn ihr mangelte es gewiß nicht an Menschen, an die sie sich wenden, mit denen sie sich unterhalten konnte. Unglücklicherweise war einer von ihnen (wer, das konnte sie nicht mit Gewißheit sagen) der Grund ihrer Sorge. Am liebsten hätte sie sich in dieser Frage an den Meister gewandt, auch wenn man im Normalfall nicht mit alltäglichen Problemen zu ihm ging. Daß sie in diesem speziellen Fall von ihm keine Hilfe erwarten konnte, machte sie richtig unglücklich. Ihr kam es so vor, als wäre eine zuverlässige Wärme- und Lichtquelle unfreundlicherweise abgedreht worden. Das Gefühl, nicht nur beraubt, sondern auch abgewiesen worden zu sein, entbehrte - darüber war sie sich im klaren - jeder Grundlage. Die Schwierigkeit lag darin, daß ihr geliebter Guru - unwissentlich und unabsichtlich, wie sie sehr wohl wußte - ihr Unbehagen mitverschuldet hatte.
      Folgendes hatte sich zugetragen: Zwei Tage nach Jims Tod war May auf dem Weg zur Waschküche an der Kammer des Meisters vorbeigekommen. Trotz offenstehender Tür hatte sie nichts sehen können, da sein wunderschöner Passepartout-Wandschirm mit den Tierkreiszeichen ihr die Sicht versperrt hatte. Gesenkte Stimmen unterhielten sich, verstummten, ertönten aufs neue und veranlaßten May zu der Annahme, daß im Raum eine Sitzung im Gange war, daß spirituelles Wachstum gefördert, Chakras gereinigt wurden. Dann allerdings rief eine Stimme unvermittelt: »O Gott - warum hast du ihn nicht in Ruhe gelassen? Wenn sie nun eine Obduktion -« Mit einem beherzten Zischen wurde der Redner unterbrochen.
      Die sich daran anschließende Stille kam May, die wie angewurzelt stehengeblieben war, eigenartig beklemmend vor. Hatte etwas Ersticktes, etwas von »unter den Teppich kehren« an sich. Sie hörte keine Schritte, schloß jedoch aus dem Rascheln eines Gewandes, daß jemand hinter dem Wandschirm hervorzutreten gedachte. Gerade noch rechtzeitig sprang sie zur Seite und preßte sich an die Korridorwand, ehe die Tür fest geschlossen wurde.
      Vor lauter Überraschung und Angst zitternd, harrte May dort aus. Die Stimme des Meisters war so emotionsgeladen gewesen, daß sie sie kaum erkannt hatte. Ob er Zorn oder Furcht verspürt hatte, wußte sie nicht zu sagen. Vielleicht keins
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