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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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von der Leyen auf dem Sofa gesessen. Ich hatte meine Finger im Spiel, als Internetaktivisten ein schlechtes Zensur-Gesetz in Deutschland verhindert haben, ich war dabei, als Abgeordnete ein gutes Gesetz in Island auf den Weg gebracht haben.
    Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks, war mein bester Freund. Er ist durch WL zum Popstar geworden, zu einer der spannendsten und verrücktesten Gestalten in der aktuellen Medienberichterstattung.
    Zusammengeschweißt hat Julian und mich einmal der Glaube an eine bessere Weltordnung. In der Welt, von der wir träumten, hätte es weder Chefs noch Hierarchien gegeben, und niemand hätte seine Macht darauf begründen können, dass er anderen Menschen Wissen vorenthielt, das die Grundlage für gleichberechtigtes Handeln gewesen wäre. Das war die Idee, für die wir gekämpft hatten, das Projekt, das wir zusammen aufgezogen und dem wir mit allergrößtem Stolz beim Wachsen zugesehen hatten.
    Aus WikiLeaks ist in den vergangenen Jahren das ganz große Ding geworden, viel größer noch, als ich es mir 2007 hatte vorstellen können. Ich war fast zufällig und aus Neugier zu dem Projekt gestoßen. Es hatte aus uns blassen Computerjungs, deren Cleverness ansonsten von niemandem bemerkt worden wäre, Personen des öffentlichen Lebens gemacht, die die Politiker, Firmenlenker und Militärbosse der Welt das Fürchten lehrten. Vermutlich sind wir in ihren Alpträumen aufgetaucht. Vermutlich haben nicht wenige sich gewünscht, dass es uns nie gegeben hätte. Das war einmal ein gutes Gefühl gewesen.
    Es gab Zeiten, in denen ich kaum geschlafen habe in ungeduldiger Erwartung der vielen tollen Dinge, die am nächsten Tag passieren würden. Es gab eine Zeit, in der sich jeden Morgen etwas ereignete, von dem ich überzeugt war, dass es die Welt ein Stückchen besser machte. Ich sage das ohne Ironie, ich glaubte wirklich daran. Nein, richtiger: An die Idee glaube ich noch heute. Ich bin davon überzeugt, dass das Projekt genial war. Es war vielleicht nur zu genial, um beim ersten Anlauf bereits zu funktionieren.
    Auch während meiner letzten Monate bei WikiLeaks schlief ich schlecht. Nicht aus Vorfreude, sondern aus Angst vor der nächsten Katastrophe, davor, dass uns die ganze Sache um die Ohren fliegen würde, dass wieder etwas Entscheidendes schiefgegangen, dass eine Quelle in Gefahr geraten war, dass Julian in der Nacht eine neue Attacke auf mich oder auf einen der anderen gestartet hatte, die ehemals seine engsten Vertrauten gewesen waren.
    Julian hat in seiner Einleitung zu dem jüngsten Leak, den diplomatischen Depeschen amerikanischer Botschafter, geschrieben, sie zeigten die Widersprüche zwischen dem öffentlichen Auftreten und dem, was hinter geschlossenen Türen vor sich ging. Die Menschen hätten ein Recht darauf, zu erfahren, was hinter den Kulissen passiere.
    Besser kann man es nicht sagen: Nun ist es an der Zeit, hinter die Kulissen von WikiLeaks zu schauen.

Die erste Begegnung
    Im September 2007 hörte ich das erste Mal von WikiLeaks. Ein guter Kumpel hatte mich darauf angesprochen. Wir lasen damals regelmäßig cryptome.‌org, die Website von John Young. Cryptome war unter anderem damit in die Schlagzeilen geraten, dass hier 1999 und 2005 eine Liste mit Namen der Agenten des MI6, des britischen Auslandsgeheimdienstes, veröffentlicht worden war. Cryptome.‌org veröffentlichte die Dokumente von Menschen, die Geheimnisse ans Tageslicht bringen wollten, ohne dabei Gefahr zu laufen, als Verräter enttarnt und dafür belangt zu werden. Auf dieser Idee beruht auch WL .
    Lustigerweise gingen viele zunächst davon aus, dass hinter WikiLeaks ein internationaler Geheimdienst steckte und es sich um einen sogenannten Honeypot handelte – man bot also Leuten, die etwas ausplaudern wollten, eine Plattform, um sie dann als Verräter einzukassieren, sobald sie tatsächlich brisantes Material auf die Seite luden. So überwog auch bei mir das Misstrauen.
    Doch dann tauchten im November 2007 auf wikileaks.‌org die Handbücher aus Guantanamo Bay auf, die sogenannten Camp Delta Standard Operating Procedures . Sie offenbarten, dass die USA in den kubanischen Gefangenenlagern gegen Menschenrechte und die Genfer Konventionen verstießen. Drei Dinge wurden mir sehr schnell klar.
    Erstens: Die Idee, WikiLeaks könnte von Geheimdiensten aufgesetzt worden sein, war absurd.
    Zweitens: Das Projekt hatte das Potential, noch viel, viel größer zu werden als Cryptome.
    Drittens: WikiLeaks war eine
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