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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz
Autoren: Bruce Sterling
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Eleganz. Das Gebäude schien Mrs. Wu angemessen, die eine lehrerinnenhafte Engländerin über sechzig war und aus dem Unternehmenszweig Schiffbau kam.
    »Dank unserer Kontakte«, erklärte sie, »bekommen wir diese Aufzeichnung drei Tage vor der Freigabe durch das Netz. Ich denke, diese Dokumentation kann als ein Schlußstein der politischen Arbeit dienen, die wir unter meinen Vorgängern leisteten. Ich schlage vor, daß wir diese Gelegenheit heute abend nutzen, um unsere Politik einer Neubewertung zu unterziehen. Im Rückblick erscheinen unsere früheren Pläne naiv, überdies sind sie bedenklich schiefgegangen.« Sie bemerkte De Valeras Hand. »Kommentar?«
    »Was definieren Sie als Erfolg?«
    »Wie ich mich erinnere, lief unsere ursprüngliche Strategie darauf hinaus, im Datenbereich der Steueroasen eine Verschmelzung zu fördern, um sie auf diese Weise in eine bürokratische Struktur zu manövrieren, die sich leichter beherrschen ließe - oder assimilieren, wenn Sie so wollen. Auf friedlichem Wege. Glaubt jemand hier, daß diese Politik auch wirksam gewesen sei?«
    »Sie war wirksam gegen die EFT-Commerzbank«, sagte Kaufmann. »Obwohl ich zugebe, daß es nicht durch unsere Einwirkung geschah. Dennoch sind diese Leute jetzt durch gesetzliche Maßnahmen gefesselt. Harmlos.«
    »Richtig«, sagte De Valera. »Hätten wir die wahre Natur der FAKT gekannt, wir hätten niemals gewagt, uns in die Auseinandersetzungen hineinziehen zu lassen. Andererseits haben die Datenpiraten verloren, während wir gewannen. Sogar unsere Naivität wirkte sich zu unserem Vorteil aus - zumindest kann niemand Rizome beschuldigen, wir hätten die FAKT unterstützt.«
    »Mit anderen Worten, unser Erfolg war hauptsächlich Glück«, sagte Mrs. Wu. »Allerdings nicht für jene Rizome-Gesellschafter, die den Preis für unsere Abenteuerlichkeit zahlen mußten.« Sie brauchte nicht zu Laura zu blicken, um ihre Worte zu verdeutlichen.
    »Gewiß«, erwiderte De Valera. »Aber unsere Motive waren nicht unehrenhaft, und wir kämpften für die gute Sache.«
    Mrs. Wu lächelte. »Ich teile die Zufriedenheit darüber mit allen anderen. Aber ich hoffe, wir werden in der gegenwärtigen politischen Situation klarsichtiger handeln. Nun, da die Wahrheit bekannt ist und wir informierte Entscheidungen treffen können.« Sie setzte sich und gab das Zeichen zum Beginn.
    Die Lichter erloschen, und der Bildschirm am Kopfende des Tisches flackerte auf. »Hier spricht Dianne Arbright vom 3N-Nachrichtendienst aus Tanger. Das Exklusivinterview, das Sie nun sehen und hören werden, kam unter Bedingungen großer persönlicher Gefahr für unsere 3N-Mannschaft zustande. In der Wildnis des algerischen Air-Gebirges, isoliert und ohne Unterstützung, waren wir wenig mehr als Geiseln in den Händen der berüchtigten Inadin-Kulturrevolution...«
    »Wie ruhmsüchtig!« grollte Garcia-Meza.
    »Ja«, sagte McIntyre aus der behaglichen gemeinschaftlichen Dunkelheit. »Ich wollte, ich wüßte, wer ihr Friseur ist.«
    Es folgte die Aufzeichnung, begleitet von Arbrights Erzählung. Weiße Geländewagen holperten vorsichtig durch rauhes Bergland. Die Nachrichtenmannschaft in schneidigen Safarianzügen mit Hüten, Halstüchern und Wanderstiefeln.
    Plötzlich ein Trupp Tuaregs mit ihren Leichtfahrzeugen, wie aus dem Nichts aufgetaucht. Die Expeditionswagen umringt, Waffen im Anschlag. Ungestelltes Erschrecken in den Gesichtern der Nachrichtenleute, ruckartiges Cinema verite. Kameras von schwieligen Händen blockiert.
    Zurück zu Arbright, irgendwo in Tanger. »Wir wurden nach Funksignalgebern durchsucht, dann trotz unserer Proteste an Händen und Füßen gebunden, mit Augenbinden versehen und wie Schafe auf ihre Fahrzeuge verladen. Darauf wurden wir stundenlang durch eines der unwegsamsten und einsamsten Gebiete Afrikas transportiert. Die nächste Aufzeichnung, die Sie sehen werden, wurde inmitten einer ›befreiten Zone‹ der ICR aufgenommen. In dieser schwerbewachten, geheimen Bergfestung wurden wir schließlich zu dem sogenannten strategischen Genius der ICR gebracht - dem ehemaligen Oberst der Kommandotruppen Jonathan Gresham.«
    Die Aufzeichnung nahm ihren Fortgang. Den Zuschauern stockte der Atem. Eine Höhle, unbearbeitete Wände, aus dem anstehenden Fels gesprengt, an Drähten herabhängende Glühbirnen. Arbright saß im Schneidersitz auf einem Teppich, den Rücken der Kamera zugekehrt.
    Vor ihr saß Gresham, verschleiert, mit Turban und in seiner indigofarbenen Djellabah. Sein
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