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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume
Autoren: Josie Litton
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sich nicht verändert, seit sie vor etwa fünfzehn Jahren nach Hawkforte gekommen und sofort unentbehrlich geworden war. Tag für Tag erschien sie in schwarzer Kleidung, hielt sich stets kerzengerade und lächelte nur selten. Aber sie besaß ein grundgütiges Herz, und sie würde alles tun, um ihre Herrin zu beschützen.
    »Jetzt könnten Sie ein Bad gebrauchen, Mylady«, erklärte sie kategorisch.
    »Ja, ohne Zweifel.« Seufzend rümpfte Joanna die Nase. »Im Carlton war es schrecklich heiß. Und dieses Gedränge...«
    »Folgen Sie mir, das Wasser ist schon erhitzt.«
    Wie das kleine Mädchen, das sie bei Mrs. Mulridges Ankunft gewesen war, ließ sich Joanna die Treppe hinaufführen. Damals neun Jahre alt und plötzlich verwaist, hatte sie unter qualvollen Ängsten gelitten. Royce tat sein Bestes, um sie zu beruhigen. Aber er zählte nur vier Jahre mehr, und seine eigene Trauer drohte ihn zu überwältigen. Die guten Leute von Hawkforte bemühten sich redlich um die Kinder, die ihre geliebten Eltern in einem wilden Sommergewitter verloren hatten.
    Aber es war die gestrenge, unbeugsame Mrs. Mulridge, die alle beide an die schwarz verhüllte Brust drückte und die Tränen trocknete. Und dann hatte sie ihnen geholfen, auf den Trümmern des alten, scheinbar für immer zerstörten Lebens ein neues aufzubauen.
    »Leider konnte ich nicht mit Darcourt sprechen«, berichtete Joanna leise. »Ich hab’s versucht. Aber er wollte mir nicht zuhören.«
    Inzwischen hatten sie den ersten Stock erreicht und blieben stehen.
    »Das dachte ich mir«, erwiderte Mrs. Mulridge.
    »Zur Hölle mit den Männern!«, fauchte Joanna.
    »Versündigen Sie sich nicht, Mylady. Es gibt ja auch ein paar anständige Exemplare - zum Beispiel Master Royce. Aber ich wusste schon an dem Tag, an dem Sie aus dem Haus des hochwohlgeborenen Marquess gewiesen wurden, dass er Ihnen nicht helfen würde.«
    Joanna blickte zu dem bunten Fenster über dem Treppenabsatz hinauf, das an diesem düsteren Morgen nur wenig Licht hereinließ. In ihren Augen brannten Tränen. »Was würde es ihn denn kosten?«
    »Wer weiß? Jetzt haben wir genug geredet, Mylady. Sie sind viel zu müde, um klar zu denken.«
    Damit sollte die Haushälterin Recht behalten, denn Joanna nahm kaum noch etwas wahr, bis sie in der dampfenden Wanne lag, eine beruhigende Tasse Kamillentee neben sich. Auf leisen Sohlen ging Mrs. Mulridge im Zimmer umher und faltete die Kleidung ihrer Herrin zusammen, legte ein Nachthemd bereit und schlug das Bett auf.
    »Bleiben Sie nicht zu lange im Wasser, Mylady! Sonst wird Ihre Haut schrumpelig.«
    »Zu spät...« Hinter dem geblümten Wandschirm brachte Joanna ein schwaches Lachen zustande. »Jedenfalls rieche ich nicht mehr wie ein modriges Treibhaus.«
    »War’s denn so schlimm?«
    »Noch schlimmer. Einfach unglaublich - die Gäste sahen gar nicht wie richtige Menschen aus. Mit ihren Perücken und Juwelen, die Gesichter maskenhaft geschminkt, wirkten sie furchtbar gekünstelt, wie Puppen.«
    »Alle?«
    Nein - Darcourt nicht. Inmitten einer Lackaffenschar hatte er eine arrogante Ausnahme gebildet. Schaudernd entsann sich Joanna, wie kühl und unbarmherzig er sie betrachtet hatte. »Fast alle.«
    Mittlerweile war das Wasser erkaltet. Sie stieg aus der Wanne, wickelte sich in ein Badetuch und streckte eine Hand nach dem Nachthemd aus, das Mrs. Mulridge ihr reichte. Eine Minute später trat sie hinter dem Wandschirm hervor und schaute zum Bett hinüber.
    »Ich glaube, ich kann nicht schlafen. Das ist mir tagsüber noch nie gelungen.«
    »Legen Sie sich wenigstens hin, Mylady...«
    In diesem Moment klopfte es an der Tür, und die Haushälterin ließ eines der Dienstmädchen eintreten, die sich vor lauter Aufregung kaum zu fassen wussten, nachdem sie aus dem ländlichen Hawkforte in die Hauptstadt gereist waren.
    »Bolkum ist wieder da, Mylady«, meldete das Mädchen, »und er möchte Sie sprechen.«
    »Sag ihm, er soll warten«, befahl Mrs. Mulridge. »Ihre Ladyschaft braucht Ruhe...«
    »Nein, ich gehe hinunter«, fiel Joanna ihr hastig ins Wort und schlüpfte in einen Morgenmantel.
    Bolkum stand in der Eingangshalle. Geflissentlich ignorierte er den vorwurfsvollen Blick der Haushälterin und verneigte sich vor Joanna. »Verzeihen Sie die Störung, Mylady. Aber ich dachte, Sie wollen es sofort erfahren. Offenbar wurde Lord Darcourts Londoner Residenz verschlossen. Ich habe mich bei einer Küchenhilfe aus dem Nachbarhaus erkundigt, und die erzählte, er habe das
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