Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel der Traumpfade Roman

Insel der Traumpfade Roman

Titel: Insel der Traumpfade Roman
Autoren: Tamara McKinley Marion Balkenhol
Vom Netzwerk:
Schimmer auf die Hecken.
    Nun merkte Alice kaum noch etwas vom Rollen und Stampfen des Schiffes, denn sie hatte sich dem Anblick der Felder hingegeben, sah den mäandernden Fluss vor sich, der unter der Steinbrücke in seinem kalkigen Bett gurgelte, bis er am Weiler Alfriston vorbei ins Meer schoss. Sie sah den uralten Kirchturm und die anderen Strohdächer, die sich am Ufer drängten, und hörte, wie die Glocken die Gemeinde zum Abendgebet riefen.
    Bei der Erinnerung an jene letzten Augenblicke wurden ihre Wimpern feucht von Tränen. Sie hatte das Haus verlassen, denn sie wollte nicht dort sein, wenn der neue Besitzer eintraf, und war hinaus in den Hof gelaufen. Das Pferd hatte geduldig am Zaun gestanden, das Maul tief ins üppige Gras getaucht, der Schweif schlug nach den lästigen Fliegen, die stets mit dem Sommerregen kamen. Sein braunes Fell war struppig, die Beine kurz, der Rücken breit – und obwohl das Tier launisch war, liebte Alice es.
    »Genug gefressen, Bertie«, hatte sie gesagt und ihm das Zaumzeug angelegt, die Zügel entwirrt und eine Decke über seinen Rücken gebreitet. »Wenn du nicht aufpasst, wirst du zu dick zum Laufen, und wir haben noch ein ganzes Stück vor uns.«
    Bertie hatte ihr die gelben Zähne gezeigt, und sie hatte ihm liebevoll den Hals getätschelt und ihn dann an den Baumstumpf geführt, damit sie aufsteigen konnte. Alles, was einen Wert besaß, war verkauft worden, ihr Sattel eingeschlossen. Doch Alice war geritten, seitdem sie aufrecht sitzen konnte, so dass die Decke auf dem Pferderücken ausreichen würde.
    Wieder rollte eine Träne über ihr Gesicht, als sie sich vergegenwärtigte, wie sie sich heruntergebeugt hatte, um das Gatter zu öffnen. Es schwang weit auf, als sie ihre Fersen in Berties Flanken grub und ihn aus dem Hof trieb. Sie hatte nach vorn geschaut – denn ihre Zukunft lag nun weit hinter dem Horizont.
    Alice wischte sich die Tränen ab und putzte sich die Nase. Der arme Bertie war mit den anderen Pferden an Bord eingepfercht und wunderte sich wohl, was da vor sich ging. Unbeholfen erhobsie sich aus der Koje, richtete ihre Kleidung, atmete einmal tief durch, um die Mischung aus Anspannung und Angst zu unterdrücken, die sie häufig überfiel, und taumelte zur Tür.
    Sie hatte sich auf ein waghalsiges Abenteuer eingelassen und konnte kaum glauben, dass es wirklich eingetroffen war. Doch da war sie, eine Fünfunddreißigjährige auf ihrem Weg zu einem neuen Leben in einer neuen Welt. Sobald sie die Tür aufstieß und Regen und Gischt ihr ins Gesicht peitschten, wurde sie an die Realität erinnert.
    Der Ozean wogte, und die Deckplanken, die unter ihren Füßen bockten, wurden überschwemmt. Sie musste sich an alles klammern, was sie fand, um nicht über Bord gespült zu werden. Ihr Mantel war bald durchnässt und zog sie nach unten; ihre Röcke und Unterröcke flatterten wie verrückt, um ihr dann durchweicht an den Beinen zu kleben.
    Langsam und unsicher arbeitete sie sich voran, bis sie an den kleinsten Pferdeverschlag kam, der von einem jungen Matrosen bewacht wurde. Er hatte den Befehl, jedes Pferd zu erschießen, das durchzugehen drohte. Die acht Tiere standen breitbeinig mit hängenden Köpfen da. Ihr Fell war dunkel vor Nässe. Sie tätschelte Bertie, der sie missmutig beäugte, und gab ihm eine Handvoll Hafer, womit er sich begnügen musste. Er war alt und zäh – er würde es überleben.
    Haarnadeln lösten sich, und als Alice sich in den Wind drehte, peitschten ihr Strähnen ins Gesicht. Es war, als wollte man sich gegen einen Rammbock stemmen, und sie fragte sich gerade, ob sie die Schafspferche wohl jemals erreichen würde, als eine Stimme sie zusammenfahren ließ.
    »Sie sollten bei diesem Wetter nicht hier draußen sein.«
    Alice blinzelte im Regen. »Ich muss mich um die Schafe kümmern«, schrie sie zurück.
    Der Mann vor ihr verzog das Gesicht, nahm sie beim Arm, und sie taumelten zusammen über das Deck, bis sie im Windschatten des Eingangs zur Kapitänskajüte Schutz fanden.
    »Vielen Dank!«, keuchte sie und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht.
    »War mir ein Vergnügen«, erwiderte er mit beinahe spöttischer Verbeugung. Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Henry Carlton, zu Ihren Diensten, Madam.«
    Bei einem Blick in sein wohlgeformtes Gesicht flammte Interesse in ihr auf. »Alice Hobden«, stellte sie sich vor.
    »Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wo sind denn die verdammten Schafe?«
    »Unter Deck. Da unten ist es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher