Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
bestätigte, warf er es weg und sagte, es sei wertlos.
    »Was soll ich denn sagen?« schrie sie ihn schließlich an.
    »Die Wahrheit. Daß Sie die Geliebte Mickledores waren, daß Sie und er den Mord geplant und durchgeführt haben, daß es einen falschen Schlüssel gab, den Sie in den See geworfen haben …«
    »Ja, ja, ja!« schrie sie, vor Erleichterung schluchzend. »Genau das ist wahr. Ich schreibe es auf!«
    Daß Mickledore bereit war, für seinen Freund zu sterben, und daß Jamie nichts dagegen hatte, war kein Problem für sie. Er hatte seine Freundschaft verraten, indem er mit Pam geschlafen hatte, und sein Opfer war die angemessene Sühne. Ihre Strafe war härter, sie erduldete den längeren Schmerz, und sie hatte nicht den Willen, sich zu befreien, bis Jamie ihr das Zeichen gab, daß es reichte, daß das Konto ausgeglichen war.
    Sie war so verrückt gewesen, schwach zu werden, als sie hörte, daß Pip in Beddington College war. Es war ihr wie ein Zeichen vorgekommen, das zwar nicht stark genug gewesen war, um die Hilfe der monströsen Frau zu bezahlen, aber ausreichend, um sich an Daphne Bush zu wenden und Versprechungen in Aussicht zu stellen, die sie nicht zu halten gedachte.
    Jamies Brief hatte alle Hoffnung zunichte gemacht und zusätzlich, zufällig, Daphne das Leben gekostet. Noch mehr Schuld, noch mehr Jahre. Sie war noch einmal hinabgesunken, diesmal ohne Absicht, je wieder an die Oberfläche zu kommen.
    Und dann war Jay mit der Nachricht aufgetaucht, daß Jamie im Sterben liege.
    Plötzlich hatte sie gewußt, daß dieses Leben im Tode alles sein würde, was sie je gekannt hatte, wenn sie ihn nicht vor seinem Tod noch einmal sehen würde.
    Nun hatte sie ihn gesehen, und was hatte sich geändert?
    Sie hörte einen Motor und blickte sich um. Der kleine Bulldozer, mit dem man die Erde ins Grab schob, war hinter der Kapelle aufgetaucht. Der Fahrer hielt inne, als er sie erblickte. Sie sah auch, daß sie nicht allein war.
    Philip Westropp kam auf sie zu. In dunklem Anzug, mit düsterer Miene und einer Bibel in der linken Hand hätte er ein junger Prediger sein können, der seinen Trost anbieten wollte.
    »Ich habe mir gedacht, daß du hier bist«, sagte er.
    »Ich wollte keine Peinlichkeit.«
    »Nach all den Jahren wolltest
du uns
nicht in Verlegenheit bringen?«
    »Niemand von euch hat mir etwas getan. Ich habe mir selbst geschadet. Pip – was Emily angeht, ich war, ich bin, es wird mir immer wahnsinnig leid tun …«
    »Das ist okay. Viel Wasser ist … Es liegt schon lange zurück.« Er lächelte schwach. »Als ich begriff, was geschehen war, bildete ich mir ein, daß du mich gerettet hättest, weil ich dein Liebling war.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du
hast
mich
gerettet«, sagte sie. »Es war dunkel da unten. Verschwommene Formen und wogende Pflanzen. Ich habe einfach zugegriffen. Wenn es nicht etwas gegeben hätte, das ich hätte greifen können, wäre ich nie wieder nach oben gekommen.«
    »Bist du froh darüber?«
    »Deinetwegen natürlich. Meinetwegen? Ich weiß es nicht.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Ist das offiziell?«
    »Wenn du willst.«
    »Dann lautet die Antwort, ich weiß es nicht. Aber ich werde mich still verhalten, das steht fest. Was ist mit dir? Arbeitest du wirklich für den CIA ?«
    »Warum nicht? Es liegt mir im Blut, sozusagen.«
    »Du bist aber Brite …«
    »Ich bin hier geboren, erinnerst du dich? Mutter war Amerikanerin. Und ich habe schon vor langem auf jeglichen Anspruch auf doppelte Staatsbürgerschaft verzichtet. Mir gefällt die amerikanische Lebensweise besser.«
    »Weil sie besser ist?«
    »Weil sie besser sein könnte«, sagte er. »Krankheit läßt sich kurieren, aber eine Leiche auferwecken, das geht nicht.«
    Das Bild schien sie daran zu erinnern, wo sie waren. Sie blickten in das Grab und schwiegen eine Weile.
    »Hast du ihn wirklich gekannt?« fragte Philip.
    »Nein«, sagte sie überrascht. »Du etwa auch nicht?«
    »Nein. Da war immer etwas … eine Schranke …«
    Cissy griff in ihre Handtasche.
    »Das hat ihm gehört«, sagte sie und hielt ihm die Pillendose hin. »Möchtest du sie?«
    »Nein«, sagte er, ohne zu zögern.
    »Okay.«
    Sie öffnete die Hand, und die wappengeschmückte kleine Dose fiel ins Grab.
    »Leb wohl, Pip«, sagte sie.
    »Leb wohl. Oh, die gehört dir, glaube ich«, und er reichte ihr die Bibel. »Wir können nichts damit anfangen.«
    Sie nahm sie, öffnete sie und las die Widmung ihrer Mutter mit einem leisen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher