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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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wünschten.
    Genauso minutiös wie Bachmann stochert Frisch in den Eingeweiden der Mordgesellschaft herum, wenn er in seinem Theaterstück Biedermann und die Brandstifter erzählt, wie die Brandstifter sich immer penetranter einnisten im Haus des »Gastgebers«. Dass er Bachmann in Paris davon abgeraten hat, sein Stück anzuschauen, war nicht ganz ernst gemeint, denn es ist wie geschrieben für sie. Ihr hätte solch eine Geschichte auch einfallen können. Das raffinierte Spiel zwischen Wahrheit und Lüge, Offenlegen und Verstecken, hätte ihr Vergnügen bereitet. Hätte Frisch sie damals bereits besser gekannt, hätte er ihr den Biedermann -Theaterabend vielleicht nicht ausgeredet.
    Wo fängt das Kriminalistische an im Grenzgebiet zwischen Leben und Schreiben, und woraus zieht es seine Sprengkraft? Wo lauern die Verbrechen, und wer begeht sie? Wie ist das Verhältnis von Opfern und Tätern?
    Mehr noch als das rein Kriminalistische interessiert Bachmann und Frisch aber die Suche nach der Wahrheit, die Frage, um welche Wahrheit es im Einzelfall geht. Verbrechen zeigen immer Grenzüberschreitungen an, und die Suche nach der Wahrheit ist im Kern ebenfalls eine Grenzüberschreitung, weil man weiß, dass man ihrer nicht habhaft werden kann und dass es stets nur Annäherungen gibt. Schreiben ist Experimentieren mit Methoden der Wahrheitsfindung.
    Ingeborg Bachmann und Max Frisch: an kriminalistischen Themen interessiert, immer auf der Suche nach spektakulären Fällen, die in der Nähe zu finden sind. Aber nicht aus reinem Kunstinteresse, sondern aus dem Wissen heraus, dass es schrecklich zugeht im Alltag der Menschen. Mörder sind mitten unter uns, in jeder Stadt findet man sie. Das Verbrechen liegt in der Luft, schwelt im Untergrund, ist allgegenwärtig, ein nicht zu bekämpfendes Virus. Mord ist keine Kunst, er ist etwas Natürliches, Alltägliches. Und wenn die Kunst sich der so selbstverständlich geschehenden Morde annimmt, schreibt sie wahr.
    Dieser etwas ausführlichere Exkurs über das Kriminalistische in der Literatur Bachmanns und Frischs: ein Umweg? Oder nicht doch vielmehr ein beängstigendes In-die-Nähe-Kommen zum Atmosphärischen im Leben des Liebespaares Bachmann und Frisch? Das Virus Verbrechen ist in der Luft, bevölkert die Geschichten und die Wirklichkeit dieser Beziehung. Frisch lauscht, wenn Bachmann mit einem Mann telefoniert, er liest Briefe, die sie erhält und die definitiv nicht an ihn gerichtet sind. 6 Indizien, Beweise, aber wofür? Untreue, Verrat? Ein Brief ist von einem Mann, der ihr offenbar die Ehe anträgt. Frisch fragt, was das solle, sie antwortet, falls sich etwas ändere in ihrer Beziehung, werde sie es sagen. Im Gegenzug bricht Bachmann eine Schreibtischschublade Frischs auf und vernichtet sein Tagebuch, als er mit Gelbsucht in der Klinik liegt. Sie, der es immer wieder darum geht klarzumachen, wie lebenswichtig es ist, das Briefgeheimnis zu wahren. Und das Tagebuchgeheimnis? Wie steht es damit? Wie inkonsequent ist es, fremde Briefe nicht zu öffnen, das intime Tagebuch eines anderen Menschen aber einfach so zu lesen und sogar zu vernichten? Ist dies nicht eine Art Mordversuch Ingeborg Bachmanns an einem Aspekt des Mannes an ihrer Seite? Plötzlich sind wir fast in einer Szene aus einem Kriminalroman gelandet, und der Fall, der zur Verhandlung steht, betrifft die Liebesbeziehung eines Schriftstellers und einer Schriftstellerin.
    Auch im Zentrum jeder Kriminalgeschichte steht immer die Frage nach der Wahrheit. »Warum? Warum? Haben wir den Mörder gefragt, aber er konnte nur sagen, daß es so war und wie es war. Nur mit der Tat kam die Wahrheit blutig daher, mit der Axt, mit dem Messer, mit der Schusswaffe. Mit tausend Kleinigkeiten kam sie daher. Auf die Frage ›Warum‹ kam sie nicht daher geschossen. Da hat ein ganzes erfahrenes Gericht sich zu deuteln bemüht, damit da eine Wahrheit daherkommt. Aber dieses Weges kommt einfach nichts.« 7 So spricht Wildermuth, eine der spannendsten Männerfiguren Ingeborg Bachmanns. Es geht um innere und äußere Wahrheit, um höhere Wahrheit, um Tatsachenwahrheit, um die Wahrheit der Gesetze. Wildermuth kennt keine andere Leidenschaft als die, die Wahrheit zu ergründen. Und steht doch immer wieder da mit leeren Händen, leerem Herzen und einem Hirn, das sich fast zu Tode denkt. Denn die Wahrheit ist immer weiter als die Menschen, die ihr nachspüren, sie ist unterwegs und hält nicht inne, macht keine Pause, damit wir mit ihr den Tisch und
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