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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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Atmosphäre, die herrscht in dieser Wohnung über den Dächern von Rom, dann könnte man mehr sagen. Es ist wie in den Kriminalromanen des Schweizer Schriftstellers Friedrich Glauser, dessen Hauptfigur, Kommissar Studer, davon spricht, dass es weniger die Tatsachen seien, die er brauche, um einen Fall aufzuklären, sondern es sei vielmehr die Luft, in der die Menschen leben. In der Via de Notaris 1F scheint die Luft immer stickiger zu werden, sehr herbstlich nebelhaft, und es atmet sich schwer. In dieser Zeit wachsender Bedrückung versucht sich Bachmann wieder an Gedichten, aber sie kommt über Fragmentarisches nicht hinaus. In diesen verzweifelten lyrischen Versuchen ist die Rede von Banalitäten, von einem »Komplicen der Banalität«, von der »Dürre einer abgeernteten Brust«, in die das lyrische Ich ein Herz eingepflanzt habe, von einem »sterilisierten Gespräch«, »abgemähten Liebesfeldern«, und die Liebe wird »die große Merde« genannt. 3 Das sind fürchterliche, schockierende Worte, Sätze. Als bliebe Ingeborg Bachmann nur noch die Flucht in die Übertreibung, in den extremen Ausdruck, und das Widersprechen, der Blick in ein Reich des Utopischen ist ihr abhandengekommen.
    In solchen Zeilen wütet sie gegen alle und alles, den Mann, sich selbst, die ganze Welt. Es muss eine grauenvolle Leere sein, die Ingeborg Bachmann empfindet, die Frau und die Dichterin gleichermaßen. Sie verkapselt sich ganz und gar in dieser Leere. Eine Wand hat sich aufgerichtet zwischen ihr und dem anderen, dem Geliebten, zwischen ihr und der Welt.
    Und Max Frisch? In ihm regt sich der dringende Wunsch, einfach nur noch ins Freie zu gelangen. Er ist in einem Alter, wo er nicht mehr alle Zeit der Welt hat. Er fürchtet sich vor dem, was noch kommen könnte, vor einer Steigerung der Dramatik im gemeinsamen Alltag. Überall sind Fallstricke ausgelegt, kann sich ein Abgrund öffnen. Verbrechen, Schuld, Unglück, das sind starke Worte, die jedoch beiden Schriftstellern mehr als vertraut sind. Sie lesen die Zeitungen intensiv, sie ziehen die Stoffe für ihre Texte nicht selten aus den realen Schauer- und Mordgeschichten, die dort abgedruckt werden. Sie wissen, dass die Literatur und nicht nur sie, dass das Leben selbst voll ist von traurigen, gescheiterten, unglücklichen Liebesgeschichten. Und dass Liebesgeschichten nicht selten auch Krimis sind.
    Das Zusammenspiel von Leben und Schreiben wird immer intensiver, undurchschaubarer, verzwickter. Es ist in der Tat wie in einem Kriminalroman. Diese Liebesgeschichte, sie ist auch eine Kriminalgeschichte. Es geht um Verletzungen, die am Ende tödlich sein könnten. Kleine Mordversuche, aus Angst, Eifersucht, Verzweiflung. Das Vorstellungsvermögen, die Phantasien, Assoziationen spielen ihren Part. Es ist sehr viel vorstellbar im Zusammenleben, wenn man ein Paar ist. Bei diesem Paar, das lebt, um zu schreiben, und schreibt, um zu leben, hängt schließlich alles mit allem zusammen. Max Frisch hat es leichter mit den Schlupflöchern. Ihm bleiben Fluchtversuche, immer wieder, fort und an einen Ort, wo es sich leichter atmen lässt. Er tanzt sich heraus aus den Verstrickungen, leichtfüßig und wie schwebend, dem Rauch seiner Pfeife hinterher.
    Ingeborg Bachmann gelingt das Entkommen nur im Ansatz und mit übergroßem Kraftaufwand. Eine Eifersucht hat sich in ihr aufgebaut, weniger auf die Menschen, die Frauen, mit denen Frisch zu tun hat, als vielmehr auf seine Arbeitsenergie. Die Arbeit ist die fremde schöne Geliebte an seiner Seite, die ihr, Bachmann, den Platz streitig macht. Dass Frisch so kreativ ist, so voller Energie, dass er sogar noch Tagebuch schreibt neben allem anderen. Frisch hingegen ist und bleibt chronisch eifersüchtig im eher klassischen Sinn, und zwar immer dann, wenn Leidenschaft im Spiel ist. Das betrifft nicht nur Ingeborg Bachmann, sondern alle Frauen, mit denen ihn mehr verbindet als ein leichtes Liebesgeplänkel. Gegen beide Formen der Eifersucht ist kein Kraut gewachsen. Sie entstehen aus dem Wunsch, bis ins Detail zu wissen, mit wem man es zu tun hat, die geliebte Person zu durchschauen und zu kontrollieren, im Leben und in der Arbeit. Dabei stellt man sich aber auch wieder nur vor, wie der andere sein könnte, grenzt ein und tötet den geliebten Menschen in ein Bild hinein, die alte Geschichte. Die Forderungen des Alltags sind stark, die Macht der Rollen ist riesig, und die Grube, in die ein Paar fallen kann, vielleicht fallen muss, ist tief, auch wenn dieses
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